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Fatal Error

Titel: Fatal Error
Autoren: Michael Ridpath
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das Feld räumen.«
    »Auf keinen Fall. Aber selbst wenn alles den Bach runtergeht, solltest du stolz darauf sein, was du erreicht habt. Ohne dich wäre Guy nie so weit gekommen. Er muss die Probleme klären, die er mit seinem Vater hat. Du bist da einfach reingezogen worden. Dafür kannst du nichts.«
    Sie hatte Recht. Ich wusste, dass sie Recht hatte. Und es tat gut, das zu hören.
    »Ich habe mit den anderen gesprochen«, sagte sie. »Niemand hat Lust zu bleiben, wenn ihr geht, Guy und du.«
    »Das ist doch nicht nötig. Ihr habt euer ganzes Geld hineingesteckt. Wenn ihr bleibt, könnt ihr immer noch was aus der Site machen.«
    »Aber wenn wir gehen, ist Tony auch fertig.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Überleg mal: kein technischer Support, keine Autoren, nur ein Haufen Computer, ein paar klapprige Schreibtische und eine Website, die binnen einer Woche veraltet ist.«
    Ich dachte nach. Da war etwas dran.
    Nach einem Blick in die Runde, auf die eifrige Crew, fragte ich:
    »Würden sie das wirklich tun?«
    Ingrid nickte. »Klar. Ich denke, Tony sollte das wissen. Meinst du nicht?«
    Ich lächelte. Tony war zwar ein sturer Hund, aber einen Versuch war es allemal wert. Ich nahm den Hörer auf, wählte die Nummer seines Apartments in Knightsbridge und bat um ein Treffen. Er klang sehr geschäftsmäßig und war einverstanden, sich für den folgenden Abend um neun Uhr mit Ingrid und mir zu verabreden.
    Gegen Mittag tauchte Owen Jourdan auf, einen großen Becher Kaffee in der Hand. Ich war überrascht, ihn zu sehen: Da sein Bruder blaumachte, hatte ich das auch von ihm erwartet. Owen und Guy hatten ein merkwürdiges Verhältnis, das ich erst im Lauf der Jahre verstehen gelernt hatte. In normalen Zeiten sprachen sie kaum miteinander, doch wenn einer von ihnen in Schwierigkeiten steckte, war der andere für ihn da. Immer.
    Owen ging zu seinem Rechner, schaltete ihn ein und beachtete niemanden, wie üblich. Ich trat an seinen Schreibtisch, zog einen Stuhl heran und setzte mich. Er sagte kein Wort, starrte auf den Bildschirm, während der Computer hochfuhr, und nippte an seinem Kaffee.
    Obwohl Owen Guys jüngerer Bruder war, hatte er überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihm. Man hatte den Eindruck, irgendein verrücktes hormonelles Ungleichgewicht hätte das Wachstum einiger Teile seines Körpers übermäßig gefördert und andere vernachlässigt. Er war weit über einen Meter achtzig groß und sicherlich mehr als hundert Kilo schwer. Dabei war er nicht fett, sondern nur massig, und hatte einen zu großen Kopf, der den Eindruck eines gewissen Stumpfsinns vermittelte. Seine winzigen Augen lagen tief unter buschigen Brauen. Der weiß gefärbte Haarschopf war ungekämmt und sah aus, als käme Owen geradewegs aus dem Bett. Er trug, was er immer trug: Bermudashorts und eine
    Baseballmütze mit der Aufschrift ninetyminutes.com. Wir hatten schon September, und es wurde kühl. Owen würde sich bald nach einer anderen Hose umsehen müssen.
    »Wie geht’s Guy?«, fragte ich.
    »Scheiße.«
    »Scheißbesoffen oder scheißsauer?«
    »Wahrscheinlich beides.« Seine Stimme war hoch, fast quäkend. Die Mutter von Guy und Owen war Amerikanerin, und sie hatten beide einige Zeit drüben gelebt, aber Owens Akzent war viel ausgeprägter als der seines Bruders.
    »Und wie geht’s dir?«
    »Mir?« Zum ersten Mal wandte sich Owen mir zu. Seine kleinen Augen musterten mich überrascht. »Was kümmert dich, wie es mir geht?«
    »Er ist dein Bruder. Du hast so hart wie wir alle gearbeitet, um die Firma auf die Beine zu stellen. Und es ist dein Vater, der sie kaputtmachen will.«
    Owen wandte sich wieder seinem Rechner zu und begann, Passwörter einzugeben. Eine ganze Minute beachtete er mich nicht, bis er endlich den Mund öffnete. »Ich denke, mir geht’s auch ziemlich scheiße.«
    »Guy scheint aufgegeben zu haben«, sagte ich. »Die anderen nicht. Ingrid sagt, sie wollen kündigen, wenn er geht. Da muss dein Vater doch einlenken, oder?«
    Owen gab keine Antwort. Er bearbeitete seine Tastatur.
    »Oder?«, wiederholte ich aufgebracht.
    »Dad lenkt nicht ein«, sagte er.
    »Aber warum nicht? Ihr seid seine Söhne. Er hat die Möglichkeit, euch beide zu unterstützen.«
    »Weil er ein Riesenarschloch ist«, sagte Owen. Seine hohe Stimme stand in merkwürdigem Gegensatz zu seiner Größe und seinen Worten. »Er schert sich einen Dreck um uns. Hat er immer getan und wird er immer tun.«
    Offenbar merkte er, wie überrascht ich über den unerwarteten
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