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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula
Autoren: Mikael Niemi
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wurde und die Zunge wie ein Wimpel im Mund flatterte. Die Flasche zu leeren und zu wissen, dass sofort eine neue auf dem Tisch stand, nicht mit dem Lineal messen zu müssen, nicht bezahlen zu müssen, nicht blank und halb nüchtern in einer scheißvornehmen Kneipe sitzen zu müssen und zu überlegen, wo die Kumpels denn nur waren.
    Herrlicher Überfluss. Nicht das Knausern eines Kätners mit Speckschwarten und schimmliger Saat, sondern der Glücksrausch des Jägers über hundert Kilo dampfendem Fleisch. Sich voll stopfen, alles reinschieben, ohne Beherrschung zulangen, um nur ein einziges Mal nicht an den nächsten Tag denken zu müssen.
    Die noch anwesenden Frauen und meine Mutter erkannten die Zeichen der Götterdämmerung und brachen übel gelaunt auf. Die Männer versprachen einstimmig, nicht zu viel zu trinken, aber ihre Zungen waren bis hinters Gaumensegel gespalten. Auch meine große Schwester verließ lieber die Gesellschaft, um nicht zum Objekt der Begierden zu werden, also musste ich ihren Part übernehmen und die Kaffeetassen abwaschen. Einige der Kerle wurden so widerwärtig, dass sie mich knapsu nannten und wissen wollten, warum ich so einen kleinen Busen hätte. Ich bat sie, ihre Nasen in Scheiße und Fotzen zu stecken.
    Bald war draußen Motorenlärm zu hören, und als ich nachschaute, sah ich, dass meine Band eintraf. Niila, Erkki und Holgeri kamen in einem alten Duett an, den einer der Cousins fuhr. Ich half ihnen Verstärker, Gitarren und das für diesen Tag verkleinerte Schlagzeugset auszuladen. Wir stellten alles erst einmal in den Holzschuppen, damit es langsam die Temperatur annahm, bevor wir es anschließen konnten. Leider hatte Greger nicht kommen können, er musste ein paar wichtige Telefonate führen, wollte aber vielleicht später noch zu uns stoßen.
    Die Jäger hatten inzwischen ein herzliches Stadium erreicht. Man fing an zu erzählen und zu prahlen und verbreitete auf Finnisch und Schwedisch die schönsten Pornogeschichten. Einer der Männer sang mit halb geschlossenen Augen Rosvo Roope und gleich danach Villiruusu, obwohl ihn die meisten Vereinsmitglieder baten, das sein zu lassen, da das Korpelalied alte Erinnerungen weckte.
    Auch Vater war jetzt angeschlagen. Er zog sich schwankend mit ein paar leeren Flaschen in der Hand zurück und musste genau aufpassen, die Kellertreppe zu treffen. Die Männer brüllten laut lachend los, als Vater wütend den Idioten verfluchte, der die Luke hatte offen stehen lassen, obwohl er das doch selbst gewesen war. Dann reichte er mir vorsichtshalber die leeren Flaschen. Ich balancierte die morschen Stufen hinunter, roch den Moder und spürte, wie mir die Kälte entgegenschlug. Da unten roch es nach Sandboden und Kartoffeln. Auf den Holzregalen standen Gläser mit Moltebeeren- und Preiselbeer-kompott, Reste eines angeschnittenen Beizlachses, ein paar Bierkisten, eine Heringskonserve und ein Heringsfässchen. Auf den Lehmfußboden waren ein paar Bretter gelegt, und auf denen standen die Schnapsflaschen. Diskret füllte ich eine Limonadenflasche ab und brachte sie zu den Alten hoch.
    Als die ersten Jäger zum Pissen raus mussten, stellten wir uns vor dem Backofen auf. Ich schob einen Verteiler in die Wandsteckdose und hoffte nur, dass die Hauptsicherung halten würde.
    Als der Strom eingeschaltet wurde, knackte es beunruhigend in den kalten Verstärkerleitungen. Niila und Holgeri stöpselten ihre Gitarren ein und Erkki setzte sich hinter seiner Trommel und seinem Hi-hat auf einen Holzstuhl. Ich koppelte das Gesangsmikrophon an den Sonderzugang des Bassverstärkers und hustete die Stimmbänder frei.
    Die Männer hatten unsere Vorbereitungen mit misstrauischen Blicken verfolgt. Aber als Niila die Begleitung im Dreiertakt begann, entspannten sie sich. Alle kannten den alten Schlager, den wir zu Ehren dieses Tages eingeübt hatten:
    » Oi muistatkos Emma sen kuutamoillan, kun yhdessä tans-seista kuljettin ... «
    Alle stellten die Gläser ab, blieben still sitzen. Das Fest hatte bereits das wehmütige Stadium erreicht, und die Musik drang direkt in die Seele. Ich sang, meinem Großvater zugewandt, der scheu seinen Blick abwandte.
    »Oi Emma Emma, oi Emma Emma, kun lupasit olla mun omani . «
    Wir machten weiter mit Matalan torpan balladi. Die Stimmung wurde so traurig, dass die Fenster beschlugen. Und zum Schluss brachten wir das Liebeslied von Erkheikki, einen langsamen Walzer in Moll mit einem klagenden Solo von Holgeri, der einen Stein zum Erweichen hätte
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