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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula
Autoren: Mikael Niemi
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gut im Dunkeln sehen konnte. Man kippte die Kaffee-tassen auf den Untertellern immer noch einmal um, hüllte sich in die Mäntel und war in Nullkommanichts verschwunden. Zurück blieben nur noch ein paar Nachbarn und Rentner, plus Vaters Brüder, die sich jetzt wieder trauten zu fluchen und um mehr zu trinken baten.
    Kurz darauf trampelte es auf der Haustreppe, und die Haustür wurde aufgerissen. Herein donnerten zwanzig schweigsame Männer. Der Anführer der Jagdgesellschaft sagte:
    »Hallo!«
    Die anderen setzten sich schweigend an die Tische und starrten vor sich hin. Der Jüngste war knapp über zwanzig, der Älteste schon über achtzig. Viele waren mit uns verwandt.
    Ungesäuertes Brot, Torte und Kaffee, und dann prostete man sich mit der letzten Cognacflasche zu, während man sich gemeinsam darüber wunderte, warum diese Franzosen so hartnäckig ihren Schnaps braun färbten und ihm den Geschmack von Malerfarbe gaben.
    Der Sprecher des Jagdvereins stand auf und hielt eine Festrede, bevor die Kerle zu wüten begannen. Er stellte fest, dass Großvater im Jagdverein immer noch geschätzt war. Denn bis jetzt war er noch nicht altersgaga, sobald er das aber wurde, sollte er doch bitte schön zu Hause am Spülbecken bleiben, während die Männer sich ums Fleisch kümmerten. Bis jetzt war noch kein Zeichen von Senilität zu entdecken, wiederholte der Redner, der Alte wirkte noch absolut klar im Kopf, aber wehe, er finge an zu faseln, dann musste er zu Hause bleiben! Denn auch ein alter Hase musste ja wohl den Unterschied zwischen einem Elch und beispielsweise einem Fahrzeug erkennen können, bevor er mit der Büchse in den Wald geschickt wurde, das war nun mal der Unterschied zwischen dem Jagdverein und gewissen anderen Vereinen im Ort.
    Die Jäger nickten mit düsterer Miene, und der Redner nahm einen Schluck, bevor er weitersprach. Der Alte konnte also immer noch seine Büchse tragen, Regen und Kälte machten ihm nichts aus, und er erfüllte seine Pflicht, aber wehe, er würde verkalkt werden! Dann war es besser, sich in der Küchenecke einzurichten. Denn auch wenn jetzt noch nichts zu merken war, so war es doch nur eine Frage der Zeit, wann das Gehirn weich wurde, und dann war alles gelaufen, darüber sollte sich das Geburtstagskind auf jeden Fall im Klaren sein!
    Nach dieser herzlichen Festtagsrede wurde ihm ein Pokal überreicht, in den sämtliche Namen des Jagdvereins eingraviert worden waren, sogar die der Hunde. Einige waren falsch geschrieben, da man den Fehler gemacht hatte, die Gravur in Lulea machen zu lassen, wo man die finnischen Nachnamen einfach nicht gewohnt war, aber für den Rabatt, den man erhalten hatte, hatte man noch eine Flasche mit Inhalt kaufen können.
    Großvater erwiderte, dass die Schreibfehler sicher ihren Grund in den Kritzeleien der Jäger hätten, dass seine Physis in jeder Hinsicht auf dem Niveau eines Achtzehnjährigen sei, dass er wie ein Adler sehen und eine Elchkuh auf hundert Meter Abstand furzen hören könne, und wenn man alle kaputtgesoffenen Gehirnzellen im Jagdverein zusammenzähle, so wäre er wohl kaum der Erste, bei dem die Erweichung einsetzen würde. Anschließend bedankte er sich für die Flasche und besonders für den Inhalt, besonders da es das letzte noch verbliebene starke Getränk im ganzen Haus sei, und wenn auch sie leer sei, könne den Rest des Abends nur noch Kaffee serviert werden.
    Die Männer rückten näher. Großvater gab allen einen Fingerhut voll, dann war die Flasche leer. Stumm, fast mit Tränen in den Augen, hoben die Männer ihr Glas und leerten es. Das durfte doch nicht wahr sein! Dieser Geizhals! Jetzt, wo man es endlich geschafft hatte, dem Frauchen daheim zu entkommen.
    Großvater schielte zur Seite und gab das Zeichen. Schweigend öffnete Vater die Kellerluke im Küchenboden und kletterte hinunter ins Dunkle. Sogleich kam er wieder hoch und stellte mit einem Klirren ein paar Flaschen auf den Tisch. Zwei in jeder Hand. Und Großvater lachte laut los.
    »Hier ist Stoff für euch Bübchen!«, grölte er, wobei sein Bauch hüpfte.
    Die Männer waren so erleichtert, dass sie fast anfingen zu schluchzen. Keinen störte es, dass die Korken nicht vom Systembolaget versiegelt worden waren. Und endlich konnte das Bacchanal beginnen.
    Es war das reine Glück. Das Glück zu saufen. Sich volllaufen zu lassen. Sich in Gesellschaft von Freunden blind und taub zu trinken, ohne meckernde Kommentare. In sich hineinschütten zu dürfen, bis der Schwanz steif
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