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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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warum
sollte ich das abstreiten. Es ist doch nur eine banale Episode am
Rande und hat nichts mit Ihrem Mordfall zu tun. Frau Lechner hat
ein kleines Stück geschrieben und wollte meine Meinung dazu
hören.«    
    »Wissen Sie was,
Herr Šemik, das kauf ich Ihnen nicht ab.«
    »Auch nicht,
wenn ich das beschwöre? Ich kann es sogar beweisen, das
Manuskript liegt hier in meinem Bühnenwagen. Moment, ich such
es für Sie heraus!«
    Der Mann steigt in
seinen Wagen, legt mehrere Handpuppen zur Seite und scheint
fündig zu werden. Noch bevor Swensen richtig begreift,
schnellt Šemik blitzartig herum, springt aus dem Wagen und
richtet die Mündung einer Pistole auf die Brust des
Hauptkommissars.
    »Werfen Sie Ihre
Waffe zu Boden, sofort, und stoßen Sie sie mit dem Fuß
zu mir rüber«, droht der Puppenspieler. Seine tief
liegenden grünen Augen verraten, dass er es sehr ernst
meint.
    »Machen Sie
bloß nichts Unüberlegtes, Herr Šemik! Sie haben
doch eh keine Chance mehr!«
    »Haben Sie nicht
gehört? Weg mit der Waffe, augenblicklich! Und danach steigen
Sie in den Wagen!«
    Swensen lässt
beide Arme herabhängen und streckt sie weit vom Körper
weg. Er geht in die Knie, legt die Dienstwaffe vor sich auf den
Boden, um sie mit dem rechten Fuß zum Puppenspieler
hinüberzustoßen. Als er wieder den Kopf hebt, huscht ein
Schatten hinter dem Kleintransporter hervor. Dann läuft alles
in Bruchteilen von Sekunden ab. Swensen hat gerade realisiert, dass
sein Kollege Stephan Mielke ihm zur Hilfe gekommen ist, als auch
schon das rechte Bein des Oberkommissars nach oben schnellt und
unter Šemiks Hand tritt. Der lässt mit
schmerzverzerrtem Gesicht die Waffe los, die im hohen Bogen
davonfliegt. Im nächsten Moment trifft eine rechte Gerade von
Mielke seine Kinnspitze. Dem Puppenspieler sacken die Beine weg und
er stürzt haltlos nach vorn. Sein Gesicht schlägt hart
auf den Asphalt. Der Mann bleibt regungslos liegen, hat
offensichtlich die Besinnung verloren. Swensen ist kreideweiß
geworden. Handlungsunfähig muss er mit ansehen, wie sein
Kollege sich hinkniet und dem Mann Handschellen anlegt.
    »Mensch, Mielke,
das war sensationell!«, platzt es mit aller Macht aus ihm
heraus.
    Mielke kann nur
grinsen. »Mein Boxunterricht zahlt sich aus,
oder?«
    »Du boxt? Ich
glaub es nicht!«
    »Schau dir das
an, Jan«, ruft Mielke aus, ohne auf den Kollegen einzugehen,
und deutet mit dem Finger auf eine Schuhsohle des Hingestreckten.
Swensen kniet neben seinem Kollegen nieder, stützt sich mit
einem Arm ab und bringt sein Gesicht nah an den Schuh von
Šemik heran. Im Leder der Sohle steckt ein kleiner
Splitter.
    »Sieht aus wie
Glas«, stellt Mielke fest.
    »Brillenglas,
sagt mein Bauchgefühl«, ergänzt Swensen.
»Wetten, das ist aus der zerbrochenen Brille von Hanna
Lechner! Holen wir uns die Waffe, Stephan, ich bin mir sicher, das
ist unsere Tatwaffe!«    

    *
    Es ist das Erwachen
aus einem abgespaltenen Bewusstsein, halb Realität und halb
Einbildung. Swensen gibt sich ruhig und gelassen, doch das ist nur
seine äußere Hülle. Innen drin ist er
verstört, wird vom Sog der Gefühle herumgewirbelt.
Gedankenfetzen taumeln unaufhaltsam durch seinen Kopf und halten
ihn fest in ihrem Bann. Er kann einfach nicht loslassen, lässt
sich rückwärts ins Polster seines Autositzes fallen,
dreht den Zündschlüssel und schaut nebenbei auf die Uhr.
Es ist 20.14 Uhr. Wenigstens bin ich gut in der Zeit und schaffe es
rechtzeitig ins Dante, denkt er.
    Noch am Morgen war er
davon ausgegangen, den obligatorischen Freitagabend mit Anna
absagen zu müssen. Langsam fährt er seinen alten Polo vom
Polizeihof, biegt links ab Richtung Bahnhof, fährt am
Nissenhaus Museum vorbei in die Ludwig-Nissen-Straße und
findet einen Parkplatz direkt gegenüber von seinem
Lieblingsitaliener.
    »Scusi,
Commissario!«, begrüßt Bruno, der Chef vom Dante,
Swensen, als der ins Restaurant tritt. »La bocca porta le
gambe, Mund tragen Beine, wir in Italia sagen! Signora Diete noch
nicht kommen.«
    »Die kommt schon
noch. Bring heute mal eine gute Flasche Rotwein, das Essen
bestellen wir dann später.«
    »Commissario
möchten Wein, heilige Maria, ein gute Tag, sehr gute
Tag!«, jubelt der kleine, rundliche Mann im
blütenweißen Hemd und roter Schürze, als der
Hauptkommissar seiner festen Gewohnheit, keinen Alkohol zu trinken,
nach langer Zeit mal wieder untreu wird. Wenig später steht
eine Flasche Contado vor ihm auf dem Tisch. Swensen schmeckt den
intensiven
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