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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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bis zum Hals
schlägt, während er über das Kopfsteinpflaster der
schmalen Schlossstraße in Richtung Innenstadt unterwegs ist.
Über seinem Kopf, in den Ästen der Bäume, haben sich
unzählige Krähen niedergelassen. Immer wieder hebt ein
Schwarm der schwarzen Vögel ab, fliegt eine kleine Runde und
landet danach mit lautem Kraah, Kraah wieder auf den alten
Plätzen. Es klingt wie eine Mahnung, die Swensen
hinterherlärmt. Sofort regen sich bei ihm die ersten Zweifel,
die seine vermeintliche Lösung wieder in Frage stellen. Im
Kopf zieht er erneut ein Resümee aus dem Gespräch mit
Frieda Meibaum.
    Eins scheint ziemlich
sicher, stellt er fest, es gibt irgendeine tiefergehende Beziehung
zwischen Hanna Lechner und diesem Puppenspieler. Außerdem
spricht einiges dafür, dass sie Wiktor Šemik bereits
vorher gekannt und sich mehr als üblich mit diesem Mann
auseinandergesetzt hat. Aber warum bezeichnet sie den Puppenspieler
einerseits als Gauner und schreibt ihm im nächsten Moment
einen Brief, in dem das geopferte Lamm zum wahren Herrscher der
Welt erhoben wird und die Wölfe niemals siegen werden? War sie
mit dem Ende des Stücks nicht einverstanden, oder wollte sie
Šemik etwa mit einem Wolf vergleichen? Und soll das Lamm in
dem Brief das Schaf Seba sein? Seba kommt von Sebastian. Ist mit
Sebastian vielleicht ihr Sohn Sebastian Lechner gemeint? Ist das
wirklich des Rätsels Lösung? Aber was hat das alles zu
bedeuten …?    
    Swensen stoppt abrupt,
fingert in der Jackentasche nach seinem Handy und tippt die Nummer
von Silvia Haman ein. Es klingelt mehrmals in der Leitung, doch
niemand nimmt das Gespräch an. Ungeduldig gibt er daraufhin
die Nummer von Stephan Mielke ein. Es klingelt nur einmal, schon
meldet sich die Stimme des Oberkommissars.
    »Stephan,
Swensen hier, ich verfolge gerade eine verdammt heiße Spur.
Es geht um diesen Puppenspieler Wiktor
Šemik.«
    »Der wurde doch
schon von mir verhört. Was gibt’s denn
Neues?«
    »Kann ich jetzt
in Kürze nicht drauf eingehen, Stephan. Erzähle ich dir
später! Kannst du bitte eben in mein Büro rübergehen
und mir die Telefonnummer von Sebastian Lechner durchgeben? Liegt
mitten auf dem Schreibtisch.«
    »Okay, mach ich.
Übrigens, Wiktor Šemik wohnt im Hotel ›Altes
Gymnasium‹.«
    »Weiß ich,
hattest du in der Frühbesprechung
erwähnt.«
    »Ach ja, stimmt!
Ich bin in deinem Büro. Und da liegt der Zettel. Also, 0911
und dann 378 430 121, hast du’s?«
    »Ja, danke
Stephan, bis dann!«, bestätigt der Hauptkommissar und
tippt die Nummer in sein Handy.
    »Lechner
hier!«
    »Swensen noch
einmal, Herr Lechner! Ich habe noch eine dringende Frage. Erinnern
Sie sich vielleicht daran, ob Ihre Mutter jemals Geschichten
geschrieben hat?«
    »Geschichten?«,
überlegt die Stimme in der Leitung. »Was für
Geschichten meinen Sie denn?«
    »Fabeln
vielleicht, zum Beispiel eine Geschichte von einem Schaf im
Wolfspelz.«
    »Ach, Sie meinen
diese merkwürdigen Kindergeschichten, die sie mir als Kind
immer vorgelesen hat. Die fand ich ziemlich gruselig damals, die
haben mir mehr Angst gemacht, als dass ich darüber
eingeschlafen bin. Stimmt, da war auch so eine Geschichte mit einem
Schaf dabei. Das wurde am Ende vom Wolf gefressen. Ich weiß
nur noch, dass ich fürchterlich geweint hab.«
    »Kannte Ihre
Mutter einen Mann mit Namen Wiktor Šemik?«
    »Solange ich
mich erinnern kann, hat meine Mutter nie von irgendeinem Mann
gesprochen. Du bist mein einziger Mann, hat sie immer zu mir
gesagt.«
    »Sie kennen
Ihren Vater also gar nicht?«
    »Nein, meine
Mutter hat sich immer geweigert, mir auch nur das Geringste
über ihn zu erzählen. Deswegen haben wir uns ja auch
ständig in den Haaren gelegen, bis ich dann weg
bin.«
    »Und danach
haben Sie nichts mehr von Ihrer Mutter
gehört?«
    »Doch, sie hat
mich aufgespürt, ein halbes Jahr später. Stand
plötzlich bei meiner Wohngemeinschaft vor der Tür. Aber
wir konnten nicht mehr richtig miteinander reden. Als sie gegangen
ist, hat sie mir ein Buch gegeben. Da standen ihre Geschichten
drin, alle mit der Hand geschrieben. Ich hab mir das Zeug nie
durchgelesen, aber das Buch hab ich noch, glaube ich. Muss irgendwo
zwischen meinen Büchern stehen.«
    »Das würden
wir natürlich gern haben. Könnten Sie bitte danach suchen
und es uns zuschicken?«
    »Ich kann es
auch gleich mitbringen. Hab nämlich beschlossen, meine Mutter
noch einmal zu sehen. Ginge das?«
    »Ihre Mutter ist
noch in der Pathologie im Husumer
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