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0942 - Die Prophezeiung des Uriel

0942 - Die Prophezeiung des Uriel

Titel: 0942 - Die Prophezeiung des Uriel
Autoren: Susanne Picard
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»Verdammt noch mal.«
    Yasmina starrte das Messingschild mit dem verräterischen Namen an und trat noch einmal zornig an die Haustür. Das hätte sie sich ja auch gleich denken können - und sie dummes Suppenhuhn war auch noch stolz gewesen, als sie gesehen hatte, dass sie einen veritablen Sorbonne-Professor an der Angel gehabt hatte!
    Hätte ich mal besser aufgepasst! Aber in letzter Zeit scheint auch irgendwie alles schiefzugehen. Erst Alphonsines Selbstmord, dann dieser Uriel, und jetzt das!
    So viel Zufall konnte es ja gar nicht geben! Sie hatte einfach nicht daran gedacht, dass dieser Kerl, der sie gerufen hatte, nichts anderes war als ein Islamwissenschaftler! Wenn ein Professor an der Sorbonne schon so abergläubisch war, ein Medium zu konsultieren, das seinen Eingang ins Paradies garantieren sollte, dann sollte ihm auch die Sprache, in der diese (angebliche!) Beschwörung stattfand, egal sein, oder?
    Yasmina fand, das wäre das Mindeste gewesen. Die ehemalige Altorientalistik-Studentin seufzte noch einmal zornig über sich selbst auf und wandte sich dann zum Gehen ab. Hocherhobenen Kopfes rauschte sie an den kleinen, endlos spießigen Reihenhäuschen in einem Pariser Vorort hin zu ihrem klapprigen Citroën und stieg ein. Die Tür warf sie so heftig hinter sich zu, dass der zitronengelbe Wagen schwankte und sie sich dabei gleich noch den Finger einklemmte. Verdammt!
    Yasmina seufzte ärgerlich auf und steckte den gequetschten Finger in den Mund. Alles ging schief in letzter Zeit. Hatte dieser Engel sie vielleicht verflucht? Sie atmete tief durch und versuchte sich genau zu erinnern. Ganz ruhig, Yasmina! Die Arme landeten entspannt auf dem riesigen Lenkrad des alten Autos, ihr Kinn darauf. Sie starrte in die Dämmerung hinaus, die sich auf der Straße breitmachte - eine von ihr bevorzugte Tageszeit, sie machte die Beschwörungen und ihren Budenzauber wirksamer. Doch jetzt schienen die kleinen Reihenhäuschen hier in Aulnay-sous-Bois, einem Vorort von Paris, sie und ihren mit knallbunten Hippie-Blumen angemalten 2CV anklagend anzustarren - je länger sie hinsah, desto schlimmer wurde es; Fenster verwandelten sich zu dunklen und finster drein blickenden Augenhöhlen, Türen zu aufgerissenen Mäulern.
    Yasmina stöhnte auf. Das konnte doch nicht wahr sein, sah sie jetzt schon Gespenster? Unfassbar , dachte sie. Ich habe mit dieser Mediumsgeschichte einfach kein Glück. Dabei habe ich doch echt nicht vor, Menschen damit zu schaden! Auch wenn das dieser Uriel wohl gedacht hat. Aber den Aberglauben haben die Leute ganz von allein.
    Nein, irgendjemandem schaden wollte sie weiß Gott nicht. Sie hatte nur keine Lust mehr, im Carrefour an der Kasse oder in einem der unzähligen Beschwerde-Callcenter herumzusitzen und sich die Klagen wildfremder Leute anzuhören. Gut, das Studium der Altorientalistik hatte sie abgebrochen, aber was hätte sie damit auch schon anfangen können? Museumskuratorin oder Journalistin, aber das wollten doch alle. Da war es doch wohl sinnvoller, mit ein bisschen Budenzauber für eine gute Show etwas aus ihren Kenntnissen des alten Orients zu machen - und wenn es nur war, so zu tun, als sei sie ein Medium.
    Und in der Regel hatten die Leute auch keine Probleme damit. Wer sie rief, glaubte an solchen Hokuspokus, wie sie ihn mit Kreidezeichen, ein paar gemurmelten Worten Alt-Aramäisch - na gut, neuerdings Alt-Türkisch! - und ein paar Räucherkerzen veranstaltete. Sie versprach den Leuten nicht einmal Heilung bei Krankheiten. Sie versprach nur, dass sie alle Glück haben würden, wenn sie nur fest genug daran glaubten, oder bestenfalls, dass ein Totenengel sie abholen würde, wenn sie starben, sodass sie nicht im ewigen Fegefeuer landeten. Alles keine große Sache.
    Sie hatte einmal damit aufhören wollen - noch nach der Angelegenheit mit Julie und Alphonsine. Doch Gaston, dieser Schwerenöter, hatte sie davon überzeugt, dass es doch (finanziell!) interessanter wäre, wenn sie das nicht tat. Aber das war auch nicht allzu schwer gewesen, sich überzeugen zu lassen, denn das Geschäft mit dem Jenseits war zu einträglich. Wer hörte sich schon gern das Gejammer der Kunden am Telefon an, weil sie die Rechnung nicht pünktlich bezahlt hatten! Yasmina starrte ins Dunkel.
    Nein, sie schadete niemandem.
    Sie dachte an ihre vergangenen drei Aufträge. Bei einem hatte sie die Räucherkerzen vergessen. Dabei war sie sicher gewesen, dass sie sie eingesteckt hatte, und zwar die, die nach Weihrauch rochen,
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