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Mordsucht

Mordsucht

Titel: Mordsucht
Autoren: Moe Teratos
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Kapitel 1
     
    Seine Finger gruben sich in den Autositz, sein Herzschlag beschleunigte sich und er wusste, dass er am Ziel war.
    Wochenlang hatte er Ausschau nach einem passenden Kandidaten gehalten, hatte seine üblichen Stammplätze besucht, aber nie jemanden für seine Zwecke gefunden. Manch einer war seinen Wünschen ziemlich nahe gekommen. Bei genauerer Betrachtung ihrer Körper hatte er jedoch enttäuscht festgestellt, dass es sich um durchschnittliche Exemplare gehandelt hatte.
    Jetzt spürte er die Aufregung, die ihn jedes Mal überkam, wenn er den Richtigen fand. Die Ansprüche, die er an seine Opfer stellte, konnte man getrost hochgestochen und teilweise utopisch nennen. Kein Gramm Fett zu viel, volles Haar und symmetrische Gesichtszüge galten als Garant, damit die auserwählte Zielperson auf dem Tisch landete. Und so jemanden beobachtete er gerade. Der Kandidat stieg in einen silbernen Ford, schnallte sich an und verließ den Parkplatz mit hoher Geschwindigkeit.
    Er startete den Wagen, fest entschlossen, seine Beute nicht entkommen zu lassen. Sollte das Ziel aus der Nähe genauso geeignet aussehen wie aus der Ferne, wäre es eine Schande, die Gelegenheit nicht zu nutzen.
    Mit ausreichendem Abstand folgte er dem Auto, gespannt darauf, wo das Objekt hinfuhr. Zum Einkaufen, Schwimmen oder zu seiner Freundin? Er passte sich den Gegebenheiten an, wartete auf die Person vor dem Supermarkt, dem Schwimmbad oder tötete die aufgebrachte Freundin, bevor er sein Exemplar für sich beanspruchte. Alles bereits vorgekommen und mit Bravour gemeistert.
    Was ihm dabei half, dass Männlein wie Weiblein sich ihm vertrauensvoll zuwandten oder ihn gar ins Haus ließen? Seine Normalität, das Allerweltsgesicht und sein höfliches Auftreten; alles Anzeichen für einen Mann, der keiner Fliege etwas zuleide tat. Was andere Menschen an ihm mochten, hasste er zutiefst. Er wollte nicht in der Menge untergehen und sein wie jeder x-Beliebige. Es gab nichts Schlimmeres als keine besonderen Merkmale zu besitzen, als normal zu gelten und in seinem Berufsleben nichts weiter erreicht zu haben, als einem langweiligen Broterwerb nachzugehen und nicht einen Fuß auf die Karriereleiter gesetzt zu haben.
    Was hatte er bis jetzt bewirkt? Nichts! Die Exemplare in der Vergangenheit waren enorme Hoffnungsträger gewesen, brachten aber nicht den gewünschten Effekt und er verlor sich ständig tiefer im Wahn der Perfektion. Klügelte neue Methoden aus, suchte sich in kürzeren Abständen weitere Probanden und verzweifelte bei jedem misslungenen Versuch ein bisschen mehr.
    »Mit ihm wird es klappen!«, versicherte er sich, schaltete das Autoradio an und lauschte seinem Lieblingssender WDR 4. Eine Sängerin verzauberte ihn mit ihrer Stimme und ließ ihn leise mitpfeifen. Der silberne Ford bog nach links in eine Sackgasse ein.
    »So einfach machst du es mir?« Er folgte dem Wagen und wurde in dem bestätigt, was er vermutete. Eine Straße mit einigen Einfamilienhäusern und gepflegten Vorgärten kamen in sein Blickfeld. Er sah, wie das Auto in eine Auffahrt fuhr, und hielt an.
    »Schön hast du es hier«, murmelte er. »Ein perfektes Heim für einen perfekten Mann.« Erneut gruben sich seine Finger in den Stoff des Autositzes, bis es schmerzte. Er sah auf die Digitaluhr am Armaturenbrett. 19.37 Uhr. Eine gute Zeit. Der Vorteil war, dass er das Exemplar nicht zu sich bringen musste, um die Prozedur an dem fehlerlosen Körper zu vollziehen. Er konnte es hier und jetzt erledigen, ungestört und in Ruhe.
    Er stieg aus und ging auf das Haus zu.
     
     

Kapitel 2
     
    Ich stand vor den Grabsteinen meiner Liebsten. Vier Frauen, alle gewaltsam aus dem Leben gerissen. Anke, meine Ehefrau, und Jenny, meine Tochter, starben vor einem Jahr bei einem Autounfall. Zwei Marmorblöcke mit ihren Initialen unterstrichen schmerzhaft die Tatsache, dass ich sie nie wiedersehen würde.
    Links neben ihnen befanden sich zwei weitere Steine, die den Namen Ratz trugen. Unter den frischen Blumen, tief begraben und gebettet in Seide, lagen Kerstin, meine Schwester, und Lucy, meine Nichte. Beide getötet durch meinen irren Schwager vor einem halben Jahr.
    Man könnte behaupten, dass die vergangenen zwölf Monate für mich und meine Eltern die Hölle auf Erden waren. Denn zu allem Überfluss hielt ich den Schmerz nicht mehr aus und erlitt einen Nervenzusammenbruch, der mir einen halbjährigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik bescherte. Ich würde nicht sagen, dass ich
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