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Mordsucht

Mordsucht

Titel: Mordsucht
Autoren: Moe Teratos
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vollständig genesen war, aber mein Nervenkostüm hatte sich weitestgehend stabilisiert, sodass ich in meinen Job zurückkehren konnte. Ich sehnte mich danach, wieder der nervenstarke Kriminalhauptkommissar Tomas Ratz zu sein, der in der letzten Zeit verloren gegangen war.
    »Ich wünsche mir immer, es sei nur ein Albtraum.« Meine Mutter nahm ein Taschentuch aus der Manteltasche und putzte sich die Nase.
    Wir fuhren einmal in der Woche – meistens sonntags, so wie heute – zusammen zum Friedhof, pflegten die Gräber und trauerten über unseren schweren Verlust. Meinen Vater bekamen keine zehn Pferde hierher. Er lebte besser damit, den Schmerz zu verdrängen und somit die Sache für sich abzuschließen. Meine Mutter und ich waren anders. Wir gaben uns gegenseitig Kraft und hörten einander zu, wenn wir etwas auf dem Herzen hatten. So wie ich jetzt.
    »Ich werde ab morgen wieder arbeiten. Mit Schroer ist alles geklärt.« Ich presste die Lippen aufeinander und erwartete ein Donnerwetter.
    »Wenn du glaubst, du bist dafür bereit … ich halte dich nicht auf.« Sie wandte sich von den Grabstätten ab und nahm mich in die Arme. »Du musst mir nur versprechen, auf dich aufzupassen. Ich will nicht noch ein Kind verlieren.«
    »Ich verspreche es dir.« Ich küsste sie auf die Stirn. »Gehen wir?«
    »Einen Moment.« Sie drehte sich zu den Gräbern und versank in einer anderen Welt. Jedes Mal, bevor wir den Friedhof verlassen wollten, verfiel sie in eine Art Lethargie. Ob sie in ihrem Geiste versuchte, mit Kerstin und Lucy Kontakt aufzunehmen, um sich zu verabschieden? Ich brachte es nicht über mich, sie zu fragen. Auch wenn wir fast alle Gedanken teilten, brauchte jeder ein paar Geheimnisse, die nur er kannte.
    »Wir können.« Meine Mutter zog sich den Schal enger um den Hals und hakte sich bei mir unter.
    Es war ungewöhnlich kalt für April. Der lange Winter sah nicht ein, endlich die Koffer zu packen und dem Frühling Platz zu machen.
    Wir erreichten meinen Wagen und stiegen ein. Wie immer nach dem Friedhofsbesuch herrschte Schweigen zwischen uns. Was gab es schon zu sagen? Wir wussten, wie der andere fühlte.
    Ich fuhr sie quer durch Duisburg zu ihrem Haus und sah meinen Vater schemenhaft am Fenster. Die Gardine wurde zur Seite gezogen, sein eingefallenes Gesicht erschien hinter der Glasscheibe und mit einem leichten Nicken grüßte er mich. Danach verschwand er in der Dunkelheit.
    »Du musst mit ihm zu einem Arzt, wenn sich das nicht bessert.« Ich hielt meiner Mutter die Autotür auf und half ihr beim Aussteigen. »Er kapselt sich völlig von der Außenwelt ab. Möchte er mich denn heute sehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Tomas. Er will im Moment nicht mal mich sehen.«
    »Das geht so nicht weiter, Ma. Er braucht Hilfe!«
    Ihre Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich. »Das musst du gerade sagen!«, schrie sie mich an und stapfte wütend davon.
    Ich rieb mir die müden Augen und stieg ins Auto. Es lohnte nicht, ihr hinterherzulaufen, es war nicht das erste Mal, dass ich einen ihrer Gefühlsausbrüche abbekam. Ich nahm es ihr nicht übel, es war ihre Art, mit den Dingen umzugehen. Irgendwann würde der Tag kommen, an dem sich alle Wogen glätteten. Dessen war ich mir fast sicher.
    Ich fuhr nach Hause, stellte den Wagen auf der Straße ab und betrat den Hausflur des Mehrfamilienhauses. Ich fühlte mich in letzter Zeit beobachtet, wenn ich die Treppen zu meiner Wohnung in den dritten Stock hinaufging. Den oder die neuen Mieter unter mir hatte ich bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen. Aber ein seltsames Gefühl ließ mich nicht los, dass derjenige mich durch den Spion hindurch betrachtete, wenn ich an seiner Tür vorbeiging. Es mochte an meiner Vergangenheit liegen oder an meinem Job, dass ich ein bisschen paranoid daherkam.
    Ich schloss die Wohnungstür auf, zog Schuhe und Jacke aus und warf mich auf die Couch. Den Fernseher ließ ich ausgeschaltet. Sonntagnachmittags konnte das Programm höchstens Kinder begeistern, mich hingegen ödete es an, die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung zu sehen.
    Ich streckte meinen Arm zum Wohnzimmertisch aus, fischte nach dem dicken Wälzer, den ich mir gestern im Buchladen um die Ecke gekauft hatte, und las, bis mir die Augen brannten.
    Ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich drei Stunden in die Welt von Mord und Tod abgetaucht war. Ich schloss das Buch und betrachtete das Cover. Ein Thriller, wie er sein musste. Tapfere FBI-Agentin kämpft gegen irren
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