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0071 - Mit der letzten Kugel

0071 - Mit der letzten Kugel

Titel: 0071 - Mit der letzten Kugel
Autoren: Mit der letzten Kugel
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Es war der 22. Juli.
    Und es war auf Long Island, am östlichen Stadtrand von New York.
    Captain Ray Anderson von der New York State Police war mit seiner jungen Frau ins Grüne gefahren.
    Obgleich Ray außer Dienst war, trug er seine Uniform. Er hätte selbst nicht sagen können, warum eigentlich. Er war an diesem Morgen aus purer Gewohnheit in seine Uniform geschlüpft. Auf der Brust hing das Wappen der State Police, und auf den Schultern trug er seine nagelneuen Rangabzeichen.
    Er fuhr den Wagen von der Straße herunter auf eine Weide, auf der weit und breit kein Stück Vieh zu sehen war.
    »Was hältst du davon, wenn wir uns hier ein bisschen ins Gras legen?«, fragte er seine Frau.
    »Gern, Darling«, erwiderte sie und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
    »Als Kind habe ich oft auf den saftigen Weiden in Oklahoma gelegen und hinauf zu den Wolken geschaut«, fuhr Anderson fort. »Ich glaube, ich war überhaupt ein großer Träumer vor dem Herrn.«
    Seine Frau lachte: »Du bist ein Romantiker, Liebling. Das ist es ja, was ich an dir so liebe. Mit dir kann man noch Mondscheinfahrten machen, dass einem das Herz weit wird unter dem Sternenhimmel.«
    »Und so was ist Polizist geworden«, grinste der Captain in einem Anflug von Selbstironie. »Na, besser als Tellerwäscher.«
    Er stoppte den Wagen, riss die Tür auf und hob seine schlanke Frau heraus. Lachend fiel sie ihm um den Hals. Sie küssten sich, dann machte sich die junge Frau frei und ging zum Koffer raum. Sie brachte einen Picknickkorb heraus und sagte: »Ob es hier irgendwo Wasser gibt?«
    Anderson zuckte die Achseln. »Ich werde nachsehen«, versprach er und kletterte die Böschung zur Straße hinauf, denn die Weide lag etwas tiefer und von der Straße aus würde er einen besseren Überblick über die Gegend haben.
    Soweit er blicken konnte, waren kein Bach und schon gar kein Fluss zu sehen. Es hätte ihn auch gewundert, denn er hatte nichts davon gehört, dass auf Long Island ein größerer Fluss vorhanden sei. Freilich wollte seine Unkenntnis nicht viel besagen, denn er war neu in der Gegend und kannte sich hier draußen überhaupt nicht aus.
    Während er langsam ein paar Schritte die Straße entlangging, hörte er in seinem Rücken fernes Motorenbrummen. Da er auf der linken Straßenseite ging, kümmerte er sich nicht darum. Rechts von ihm wäre noch immer Platz genug gewesen für ein Kraftfahrzeug. Was sollte er sich also Sorgen machen?
    Wir hätten ein paar Flaschen Cola mitnehmen sollen, überlegte er. Richtiges .Quellwasser wäre natürlich für ein romantisches Picknick angemessener, aber wo sollte er hier eine Quelle finden? Vielleicht gab es im Umkreis von zwanzig Meilen keine einzige.
    Das Motorengeräusch war jetzt nähergekommen, und Anderson ging noch einen halben Schritt weiter nach links, damit ihn der Wagen wirklich ungefährdet überholen konnte. Seine Frau beschäftigte sich unterdessen mit dem Auspacken des Picknickkorbs.
    Der Himmel war fast wolkenlos. Wenn das Wetter so blieb, versprach es ein heißer Tag zu werden. Ein Glück, dass er nicht in der City Dienst tun musste. An solchen Tagen gleicht New York einem riesigen Treibhaus, in dem man es vor Hitze kaum aushalten kann. Er griff in die Hosentasche und wollte seine Zigaretten herausziehen. Das Auto war jetzt dicht hinter ihm. Während er mit geübten Fingern in der Hosentasche eine Zigarette aus dem Päckchen fischte, hörte er plötzlich einen gellenden Schrei seiner Frau.
    Captain Ray Anderson stutzte den Bruchteil einer Sekunde, dann wollte er sich umdrehen. Aber es war schon zu spät. Er erhielt einen fürchterlichen Stoß in den Rücken, flog ein Stück vorwärts, stürzte, schrie etwas, und dann rollten die Räder auch schon über ihn hinweg.
    Das Letzte, was er fühlte, war ein irrsinniger Schmerz in der Brust, ein glühender Stich, der zu seinem Herzen hin sprang. Der Schmerz lag jenseits aller Worte. Er dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, füllte für einen kurzen Augenblick mit feuerroter Glut sein Gehirn bis in die letzte Windung aus, dann versank alles in undurchdringlicher, schwarzer Gefühllosigkeit.
    Captain Ray Anderson war tot.
    Das Auto jagte mit erhöhter Geschwindigkeit davon. Hinter der oberen Wölbung der schweren Stoßstange hatte sich Andersons blankes Dienstabzeichen eingeklemmt.
    ***
    Father Baseman war an die achtzig Jahre alt. Trotzdem versah er seine Pflichten in seiner kleinen Gemeinde noch immer mit der emsigen Rührigkeit, die man an ihm seit
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