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Pitch (German Edition)

Pitch (German Edition)

Titel: Pitch (German Edition)
Autoren: Michael Weski
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strengen
Nachtschwester zehn Minuten bewilligt worden sind, das Kind sieht
nichts von Jos Zweifeln und seinem schlechten Gewissen, es sieht nur
einen dunklen Fleck gegen das Licht des Flurs, die in alle Richtungen
stehenden Haare verwischen den Eindruck des Runden ins Eckige, nichts
verbindet das Kind mit diesem Bild, dennoch prägt es sich ihm
ein, nicht in Form einer bewussten Erinnerung, doch so, dass später
in der Schule, in Mathematik, wenn es um die geometrische Berechnung
des Kreises durch immer kleiner werdende Quadrate geht, ihm dieser
schwarze Fleck vor greller Helle aufflimmern wird, auch seine
Vorstellung von Gott als Vater wird sich sonderbarerweise immer mit
dieser gesichtslosen Gestalt im Gegenlicht verbinden, die eine große
Hand auf seine und die der Mutter legt, doch es ist nur Jo, der
endlich angekommen ist, der endlich die Hand seines Kindes hält
und etwas in sich spürt, was größer ist als
Seitensprünge mit Kolleginnen, als Sex auf Raststättenklos,
als Rauswürfe und Karriereknicke, nicht dass ihm die Bedeutung
des Augenblicks wirklich bewusst würde, soweit geht es nicht, er
ist erfüllt von situationsbedingter Sentimentalität, wie
viele andere auch schwört er sich beim Anblick seines Kindes,
ein besserer Mensch zu werden, ab morgen, und er wird das auch mit
ein wenig Durchhaltevermögen zwei, drei Monate sein, bis er dann
wieder feststellen wird, dass andere Kinder auch schöne Mütter
haben, um die sich nicht nur deren gelangweilte Ehemänner
kümmern sollten, schon morgen wird sich diese Entwicklung
abzeichnen, Ferdi wird ihn anrufen und ihm sagen, dass die Seite
Dreiundzwanzig wieder aufgetaucht ist und sie den Pitch gewonnen
haben, dass Altenberg die Agentur gekauft hat und dass er sogar
wiederkommen könnte, wenn nicht Alex hochoffiziell bereits
seinen Platz eingenommen hätte, aber eine Abfindung wird er ihm
nun doch zahlen, denn Geld ist ja jetzt da, alles das wird morgen
geschehen, und Jo wird keine große Not leiden müssen, Zeit
wird er haben, sich seiner Familie zu widmen, Zeit, sich einen neuen
Job zu suchen, doch schon jetzt, all das noch nicht wissend, in
diesem Augenblick, am Ende dieses für ihn so schrecklichen
Tages, ist er geläutert, er fühlt sich jedenfalls so, er
selbst würde sich, wäre er an Maries Stelle, in diesem
Augenblick echter Reue verzeihen, und Marie, die längst wach
geworden ist und ihn durch fast geschlossene Augenschlitze
beobachtet, tut das auch, sie legt ihre freie Hand auf die seine und
drückt sie, sie sagen beide nichts, was sollen sie auch sagen,
dass Iris bei der Geburt seines Kindes dabei gewesen ist, oder dass
er ein Hallodri ist, das hat Zeit, das kann auch morgen noch
aufgearbeitet werden, oder übermorgen, oder irgendwann, wenn sie
woanders hingezogen sind, wo sie niemand kennt, wo man Iris vergessen
kann und wo er in einer anderen Agentur seine Karriere fortsetzen
wird, vielleicht arbeiten sie es ja auch nie auf, wie es oft genug
zwischen Eheleuten nicht aufgearbeitet wird, wenn etwas zwischen
ihnen steht und es dort einfach stehen gelassen wird, denn jetzt ist
das Kind da, und es steht genauso zwischen ihnen wie das
Unaussprechliche, das Kind teilt sich mit dem Unausgesprochenen
diesen Zwischenraum und stößt sich daran, fragen wird es
sich, was da so Abstoßendes ist, was verhindert, dass seine
Eltern zueinander finden, und es wird sich fragen, ob es ebenso wie
sie werden will oder einen eigenen Weg gehen soll, auf dem es zu
einem Mensch mit eigenen Macken heranreifen wird, vielleicht zu einem
Chef wie Ferdinand von Lachmann-Zeil, der gerade mit Bärbel ins
Bett geht, die davon träumt, Alex Mack die Leitung der Agentur
streitig zu machen, oder zu einer Frau wie Angela Punkte, die weiß,
was sie will, und bekommt, was sie braucht, oder zu einem jener
Journalisten, die gerade ihre Storys durchgeben, die morgen die
MegaFin-Geschichte als großen Bluff in die Schlagzeilen bringen
werden, vielleicht wird aus ihm auch eine Putzfrau, die allein das
Leben meistert und zwei Kinder großzieht, oder ein krimineller
Referent, der sich für seine beruflichen Leistungen hin und
wieder mit einem Mord belohnt, was auch immer aus ihm werden wird, in
dieser Nacht, seiner ersten Nacht auf der Welt, stehen ihm noch
hundert Möglichkeiten offen, während woanders, in einer
anderen Klinik, in einem anderen Krankenbett sich nun sämtliche
Möglichkeiten auf eine letzte verengt haben, wo sich das EKG
Karl Keisers von immer schwächeren Ausschlägen zu
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