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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
Autoren: Robert Littell
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Engländer. Ich gestehe, in Diensten des britischen Secret Intelligence Service zu stehen. Ich gestehe, den Engländer verleumdet zu haben, um einen ehrlichen, aufrichtigen, uns aus dem Herzen der britischen Finsternis berichtenden Sowjetagenten in Misskredit zu bringen …«

Kapitel 16
    London im Juli 1945:
Der Haddsch schreibt den dritten Akt eines Spionagedramas
    Der werte Colonel Menzies bot mir eine Schulter zum Anlehnen, als mein Vater, Admiral Sinclair, im Dezember 1939 starb. Oh, hätte er es doch noch erleben dürfen: Hitler und Mussolini sind tot, die Nazis haben bedingungslos kapituliert, und der Weltkrieg, der Europa verwüstet hat, ist aus und vorbei. Hier in London laufen zwei Monate nach der deutschen Kapitulation immer noch junge Männer und Frauen durch die Straßen und singen:
Kiss Me Goodnight, Sergeant Major,
das Lied, das mein Vater so oft beim Rasieren gesummt hat.
    Und es war auch Colonel Stewart Menzies, Eton-Absolvent und Royal Horse Guard, am Rockaufschlag einen DSO für seine Tapferkeit vor Ypern, der nach dem so viel zu frühen Tod meines Vaters zum Chef des Auslandsgeheimdienstes Seiner Majestät ernannt wurde. Ich bin überzeugt, dass seine Ernennung allgemein begrüßt wurde (wenn auch vielleicht nicht von Colonel Vivian, einem vorsichtigen Veteranen des Indian Police Service und Vaters zweitem Stellvertreter, der sich mit der Spionageaufklärung zufrieden geben musste). In jenen ersten schwierigen Monaten wurde der arme Colonel Menzies von seinen Vorgesetzten im Foreign Office wie ein lästiges Stiefkind behandelt. Die waren, mit den Worten des Admirals, immer noch in der Vorstellung des neunzehnten Jahrhunderts gefangen, die Spionage (im Gegensatz zur Diplomatie) sei ein unbedeutendes Werkzeug im »Großen Spiel«, dem ewig währenden Kampf Russlands, Großbritanniens und Frankreichs um die Vorherrschaft am Hindukusch. Man kann sagen, dass die Spionage erst nach München in ihrer vollen Bedeutung erkannt wurde, als selbst die Philister im F. O. zu ahnen begannen, dass es nützlich sein könnte, Hitlers Ambitionen in Europa vorauszusagen und ihn in Schach halten zu können.
    Wie schon der Admiral vor ihm wusste Colonel Menzies mit der Feindseligkeit des F. O. umzugehen. Er war die Güte in Person, als er und ich durch Hampstead und Kensington hasteten, damit ich ihm die toten Briefkästen zeigte, die Vater am Tag vor seinem Tod noch geleert hatte. Zurück im Caxton House, dechiffrierte ich ihm die Karteikarten, die Vater in seiner Brusttasche mit sich herumgetragen hatte (ich bin die Einzige, die seine Handschrift zu entziffern vermag) und auf denen seine Spione verzeichnet waren; einer pro Karte: Seine Mannschaft war ein Sammelsurium aus Decodier- und Poststellenbeamten bei ausländischen Botschaften, zwei südamerikanischen Botschaftern, dem Kapitän eines norwegischen Frachters, einem äußerst populären brasilianischen Filmstar, einer Handvoll schwedischer und spanischer Geschäftsmänner, einem libanesischem Geldwechsler, einem Inder, der vorgab, ein Maharadscha zu sein, der
Madame
dessen, was wir Engländer ein
bawdyhouse,
ein unzüchtiges Haus, nennen und einem jüdischen Diamantenhändler mit Partnern in Südafrika, Betschuanaland und Holland. Oh, ich darf die Liechtensteiner Prinzessin nicht vergessen, die behauptete, mit ihren königlichen Cousins in diversen slawischen Königreichen Europas in Kontakt zu stehen. Gott allein wusste, wie. Ich erinnere mich, wie Colonel Menzies, dessen offener Blick eine gewisse Unschuld des Geistes widerspiegelte, von seinen Papieren aufsah – es war kurz nach Vaters Tod – und mich fixierte. »Sie bleiben selbstverständlich an Bord, Miss Sinclair. Schließlich sind Sie das Gedächtnis dieser Institution. Wem außer Ihnen könnte man ausreichend vertrauen, um ihn bei unseren streng geheimen Besprechungen Protokoll führen zu lassen?«
    Tatsächlich war ich nur zu erleichtert, Colonel Menzies Bitten nachzugeben zu können. Ich bekam zwar immer noch kein Honorar, aber dank der üppigen Flaggoffiziers-Pension meines Vaters kam ich ohne zu große Probleme über die Runden. Außerdem hielt ich wenig davon, die mir von der Vorsehung noch vergönnten Tage damit zu verbringen, den alten Jungfern der Abstinenzgesellschaft in Camden Town Tee und Kuchen vorzusetzen. »Ich werde nur zu gerne auch weiterhin mein Bestes geben«, hatte ich dem Colonel geantwortet. Und das hatte ich. In den chaotischen Zeiten des
Blitz,
als der SIS geradezu
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