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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
Autoren: Robert Littell
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wir annehmen, dass Sie noch ein Ass im Ärmel haben?«
    Der Haddsch: »Ich wäre ja wohl ein verdammter Narr, wenn ich hier auftauchen würde, ohne etwas in der Hinterhand zu haben.«
    Vater: »Könntest du uns ins Bild setzen?«
    Der Haddsch: »Ich werde euch alle sofort umbringen müssen, wenn ich das tue.«
    Allgemeines Gelächter.
    Vater: »Du hast doch deine Erkundung der arabischen Halbinsel nicht unterbrochen, um uns hier etwas vorzuenthalten, alter Junge. Nun spuck’s schon aus.«
     
    Der Haddsch: »Wir müssen ihnen einen Engländer vor ihre sowjetischen Nasen setzen und sie dazu verleiten, ihn anzuwerben. Nicht einfach irgendeinen Engländer, sondern einen aus der Oberklasse, einen mit einer schicken College-Krawatte, von dem die Sowjets denken, dass er sich ins Establishment hocharbeiten kann. Verstehst du, wir brauchen die Moskauer Zentrale nicht zu unterwandern, wenn es uns gelingt, die Sowjets denken zu lassen, dass sie unseren Secret Intelligence Service unterwandert hätten. Dann können wir sie bis zum Gehtnichtmehr mit Unsinn füttern, solange wir gelegentlich ein echtes Geheimnis daruntermischen, das sie überprüfen können. Das eröffnet uns unendliche Möglichkeiten. Wir können in Stalins Gehirn vordringen und das Denken für ihn übernehmen. Wir können seine Entscheidungen manipulieren, und wenn wir Erfolg haben, wird aus dem NKWD ein von uns komplett kontrolliertes Tochterunternehmen des SIS.«
    Vater: »Ich nehme an, du hast bereits einen Kandidaten im Auge.«
    Der Haddsch: »Fürwahr, das habe ich. Meinen Sohn Kim. Er ist für das große Spiel wie geschaffen. Ich habe ihn in Cambridge mit dem Sozialismus flirten lassen, um ihm die nötige marxistische Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Nach dem Studium habe ich ihn nach Wien geschickt, damit er dort große Reden über den Homo sovieticus schwingt, der sich den historischen Herausforderungen zu stellen hat, während er selbst am unvermeidlichen Aufstand gegen Dollfuß teilnahm. Schließlich telegrafierte er mir und bat um die Erlaubnis, eine der Agentinnen der Moskauer Zentrale in Wien zu ehelichen und sie mit ins sichere London bringen zu dürfen. Es überrascht nicht, dass die Russen den Köder geschluckt haben. Mit Haut und Haar, könnte man sagen. Vor einem Monat hat der sowjetische NKWD meinen Jungen auf einer Bank im Regent’s Park angeworben.«
    Vater: »St John, verstehe ich dich richtig? Du sagst, dass dein Sohn Kim ein Sowjetagent ist?«
    Der Haddsch: »Das denken die. Wir müssen die Russen in dem Glauben lassen, dass sie einen Agenten haben, der sich in die oberen Etagen des Foreign Office oder der Fleet Street vorarbeiten kann. Mit der Zeit werden sie lernen, ihm zu vertrauen, und irgendwann, wenn er sich einen Ruf als Diplomat oder Journalist erarbeitet hat, rekrutierst du ihn für den SIS Seiner Majestät. Die Russen in der Moskauer Zentrale werden die Champagnerkorken knallen lassen, was, ganz nebenbei gesagt, eine komische Art zu feiern ist. Das einzige Mal, als ich sowjetischen Champagner getrunken habe, war das Zeugs schaler als abgestandenes Bier. Bedenk die Möglichkeiten, Mann. Denk an die Fehlinformationen, mit denen wir sie füttern können, denk an all das, was wir allein aus den Fragen erfahren, die ihm seine sowjetischen Vorgesetzten stellen. Wir werden herausbekommen, was sie selbst nicht wissen.«
    Colonel Menzies: »Ungeheuerlich, oder?«
    Colonel Vivian. »Absolut unglaublich.«
    Vater: »Wirklich ungeheuerlich. Aber voll Potenzial, die Art, wie die Sowjets die Welt sehen, zu beeinflussen. Können wir uns darauf einigen, dass dieses Treffen nie stattgefunden hat?«
    Der Haddsch: »Welches Treffen?«
    St John Philby klopfte pünktlich an Colonel Menzies Tür. Er trug immer noch abgewetzte Tennisschuhe, und auch der Rest seines Aufzugs sah aus, als käme er direkt vom Flohmarkt in der Portobello Road, woran auch die ausgefranste Westminster-Schulkrawatte unter seinem Adamsapfel nichts ändern konnte. Der dunkle, fadenscheinige Nadelstreifenanzug mit Weste musste schon einiges mitgemacht haben. Aus der Brusttasche schien der Zellwattenfilter einer Gasmaske zu lugen.
    »Sie sehen bestens aus«, sagte Colonel Menzies, als er den Haddsch an der Tür zum Allerheiligsten begrüßte, ihm die Hand schüttelte und ihn gleichzeitig in den Raum hineinzog. »Sie werden sich an Colonel Vivian erinnern«, fügte er hinzu. »Der Colonel kümmert sich immer noch um unsere Spionageabwehr, was ganz Ihr Fall ist, oder?«
    »Was
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