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Die Wiege des Bösen

Die Wiege des Bösen

Titel: Die Wiege des Bösen
Autoren: Hugh Walker
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1.
    Elvinon.
    Einst die blühenste Stadt an der Straße der Nebel; einst unter Herzog Krudes Herrschaft eine mächtige tainnianische Residenzstadt, in der der junge Mythor seine ersten Erfahrungen mit der Zivilisation machte.
    Nur wenige Jahre später: Einsteinernes Ungeheuer, das auf eine schreckliche Artlebendig war; ein Hort Corubes, der sechsten Schlange der Finsternis, die ihren Schatten in weitem Bogen über die Küsten Elvinons und Akinborgs warf.
    Der Schatten durchschnitt die Stadt in einem Gürtel von der Breite der einstigen Burg. Er war nicht dunkel, wie Schatten von lebenden Dingen sind, sondern ein fahler Schimmer, als hätte Totenblässe zu leuchten begonnen.
    Umgeben von einem halben Hundert Gianten ritten Maer O’Braenn und seine Begleiter auf die Stadt zu. Priester Calloun zweifelte nicht an O’Braenns Mission, aber er war ein Tiefländer, und wie alle Tiefländer verachtete er die Hochländer ihres Stolzes und ihrer eingefleischten Sippenwirtschaft wegen. So nahm er sich vor, es ihm nicht leicht zu machen. Vielleicht brachte es ihm eine Rüge ein, wenn die Mission des Ritters wirklich so wichtig war. Aber er stand hoch genug in der Gunst seiner Hohen Würdigkeit, um dieses Risiko einzugehen.
    Es war eine Weile her, daß unberührte lebende Seelen in die Stadtgekommen waren. Es war nur recht und billig, sich ein wenig mit ihnen zu amüsieren, bevor sie im Herzender Schlange das unausbleibliche Schicksal erlitten und den endgültigen Weg nach Gianton nahmen, um Krieger für die Heere der Finsternis zu werden. Für ihn waren sie bereits Gefangene und er war sicher, daß seine Hohe Würdigkeit, Ondhin, einen guten Teil der Caer und der Barbaren in Elvinon behalten würde. Tarthuum liebte es, die Köpfe der Lebenden mit seinen schwarzen Visionen zu füllen und zu sehen, wie lange sie es ertrugen. Nicht lange meist und ihr Verstand versank in Grauen. Dann waren die Schmieden von Gianton Erlösung für sie.
    Der einzige Dorn im Auge warihm dieser Priester Coryn, der ihm den Fang streitig machen würde, wenigstes soweit es die Anerkennung seiner Hohen Würdigkeit betraf. Daher quälte er seinen Verstand um eine Möglichkeit ab, seinen Rivalen in eine nachteilige Lage zu bringen.
    Aber Coryn, der mit verschlossenem Gesicht neben ihm ritt, fühlte, daß er bereits in einer verteufelten Lage war. Calloun schöpfte offenbar keinen Verdacht, daß er nicht Coryn war, sondern Barynnen, einer der Begleiter des toten Coryn. Calloun hatte Coryn wahrscheinlich gar nicht von Angesicht zu Angesicht gekannt. Aber spätestens wenn sie Ondhirt, dem Oberpriester, gegenübertraten, würde die Täuschung zu Ende sein, und er würde verdammt gute Erklärungen brauchen, wenn er nicht den Weg nach Gianton antreten wollte. Er war auf sich allein gestellt. Weder O’Braenns Caer noch die Barbaren würden einen Finger für ihn rühren, dessen war er gewiß. Er ritt nicht einmal freiwillig an ihrer Seite. Er hatte sie unterschätzt. Aber hier in Elvinon würden auch sie mit ihrer Klugheit am Ende sein. Nein, er würde nicht auf sie bauen – er würde sie benutzen. Hier in dieser lebensfeindlichen Hölle war jeder sich selbst der nächste. Und den einen für den anderen auszuspielen, darin war Barynnen schon immer Meister gewesen, sonst wäre er wohl nicht unter den wenigen Auserwählten gewesen, die den Priester Coryn in den Süden begleiten durften – und das mit freiem Verstand.
    Er sah sich nach Joise um, die ein Stück hinter ihm ritt. Ihre Miene war besorgt. Sie schien zu begreifen, was vorging, und er fragte sich erneut, wie schon so oft zuvor, ob nicht doch ein Funken von Leben in ihr war. Er hatte sie aus seinen Erinnerungen geschaffen, als sie starb, aus seinem Schmerz über den unerträglichen Verlust des einzigen Wesens, für das er je Liebe empfunden hatte: sein Weib.
    Obwohl er kein Priester und kein Magier war, war dieser Zauber außerordentlich gut gelungen. Gewiß, er hatte Coryn lange Jahre auf die Finger gesehen, hatte gelernt, wie man die dunklen Kräfte benutzte, wenn sie einmal beschworen waren. Und dort, wo die Schlange Aescyla ihren Schatten warf, war die Erde schwanger von den Kräften, ohne daß jemand sie zu beschwören brauchte. Er hatte vieles vermocht, von dem Sterbliche nur träumen. Aber Joise… Joise war nicht das Werk seines Verstandes, es war das Werk seines gequälten Herzens. Sie war so vollkommen, daß er manchmal, wenn er sie in den Armen hielt, selbst daran glaubte, daß sie wahrhaftig
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