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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf
Autoren: G Gasdanow
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stiller. Dass er nicht ganz in Vergessenheit geriet, ist dem amerikanischen Slawisten Laszlo Dienes zu verdanken. Er holte das Archiv des Schriftstellers an die Harvard University und veröffentlichte 1982 die erste Monographie, womit er der Rezeption in Gasdanows alter Heimat den Boden bereitete.
    In Russland sind mittlerweile zahllosen Einzelausgaben und Sammelbände erschienen, auch hat sich dort eine lebhafte Gasdanow-Forschung entwickelt, es werden Kongresse über ihn veranstaltet und Dissertationen verfasst. 2009 konnten seine neun Romane und mehr als fünfzig Erzählungen in einer reich kommentierten fünfbändigen Gesamtausgabe herauskommen; sie umfasst neben seinen literaturkritischen Essays auch Rezensionen und Briefe. Unterstützt wurde die Ausgabe von Stardirigent Valery Gergiev; wie Gasdanow ossetischer Herkunft, setzt er sich immer wieder dafür ein, dass das Andenken seines Landsmanns wachgehalten wird.
    Der Vergleich Gasdanows mit Nabokov hat durchaus Tradition. Seit dem frühen Paukenschlag, Gasdanows Abend bei Claire , wurden die beiden Autoren in der Emigrantenpresse häufig in einem Atemzug genannt; sie galten als die hoffnungsvollsten Prosaiker der jungen Generation, und man rätselte, wer wohl begabter sei und die glanzvollere Zukunft vor sich habe. Die beiden begegneten einander auch mit Sympathie, zumindest zur damaligen Zeit. In der Erzählung »Träger Rauch« von 1935, als Nabokov noch unter dem Namen Sirin veröffentlichte, steht neben Luschins Verteidigung und Pasternaks Meine Schwester, das Leben auch Gasdanows Abend bei Claire unter den Lieblingsbüchern im Regal. Und als Gasdanow in einem furiosen Rundumschlag (»Über die junge Emigrantenliteratur«, 1936) der Literatur des Exils jegliche Zukunft und im Grunde auch jegliches Dasein in der Gegenwart absprach, womit er sämtliche Kritiker des russischen Paris verprellte, strich er Sirin als einziges Gegenbeispiel heraus, als den einzigen »echten Schriftsteller«. Während Nabokov um diese Zeit durch den Wechsel ins Englische aus dem Kreis des russischen Exils ausbrach, hinaustrat in die Weltliteratur, blieb Gasdanow auf die Leserschaft der ersten Emigration angewiesen – und die nahm immer mehr ab.
    In der Exilliteratur war der Graben zwischen den Generationen tief. Die Größen des russischen Paris wie Bunin, Kuprin oder Mereschkowski waren bereits vor 1917 Schriftsteller von Rang und Namen gewesen und kamen mit solidem literarischem Gepäck nach Paris. Aufgrund ihres Gewichts beeinflussten die Koryphäen auch die Kriterien, an denen die nächste Generation gemessen wurde. Ohnehin drängt ein Dasein in der Emigration zum Bewahren oder gar zum starren Konservieren nationaler Traditionen; das russische Paris sah es als seine Mission an, ein Hort der großen russischen Kultur zu sein und angesichts futuristischer und sowjetischer Umstürze vor allem das Nationalheiligtum Literatur zu schützen.
    Gasdanow bekam das zu spüren. Trotzköpfen wohlwollender Aufnahme reagierte die Kritik auf seine Prosa rückwärtsgewandt, sie zog Linien zu Tschechow, Bunin oder Marcel Proust. Sicher nicht ganz zu Unrecht, aber damit war das Neue an Gasdanows assoziativer, handlungsarmer Erzählkunst nicht zu fassen. (Gasdanow selbst sollte sich später einmal deutlich von Bunin distanzieren: Bunin gehöre für ihn zum 19. Jahrhundert, seine eigene Prosa hingegen zum 20.) Bezeichnenderweise werden Rezensionen zu Gasdanows Veröffentlichungen im Lauf der 30er Jahre immer spärlicher und versiegen schließlich ganz, wohl nicht nur, weil die russische Leserschaft abnahm; von heute aus wirkt es, als wäre die zeitgenössische Kritik mit diesem Autor einfach nicht zurechtgekommen.
    Obwohl Gasdanow dank seinem Erstlingserfolg in der hochangesehenen Zeitschrift »Sowremennyje Sapiski« veröffentlichen konnte, gehörte er eben nicht zu konservativen Literaturzirkeln wie der »Grünen Lampe«, dem ins Mystische oder Religiöse (und wenig später ins Profaschistische) abdriftenden Salon von Dmitri Mereschkowski und seiner Frau Sinaida Hippius. Gasdanows Welt war eher die des »russischen Montparnasse«. Die junge Generation, die während oder nach ihrer Schul- und Studienzeit Russland verlassen, somit in frühen Jahren Krieg und Flucht durchgestanden hatte, war von einem anderen Lebensgefühl beherrscht, einer eher melancholischen Illusionslosigkeit. Zumal kaum Aussichten bestanden, dem immer engeren Kreis des russischen Exils zu entkommen. Die »unbeachtete
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