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Berger, Fabian

Berger, Fabian

Titel: Berger, Fabian
Autoren: Tiefschlaf
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Prolog
    D as hektische Treiben der vorüberziehenden Menschenmasse spiegelte sich im Schwarz seiner Pupillen. Bewegungslos stand er vor einem Schuhgeschäft in der Kölner Innenstadt und starrte ins Leere.
    Plötzlich spürte er eine zittrige Hand auf seiner linken Schulter.
    Ein älterer Mann mit schlohweißem Haar war an ihn herangetreten und betrachtete ihn eindringlich. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Verwirrt blickte er um sich. »Wo bin ich? Was ist passiert?« Plötzlich kehrten die Bilder des Moments vor dem Eintritt seiner Bewusstlosigkeit zurück und er fand sich an der Stelle wieder, die ihm als Letztes in Erinnerung geblieben war. Wie viel Zeit war seitdem vergangen? Sekunden? Minuten?
    Verlegen wich er dem fürsorglichen Blick des Weißhaarigen aus, zupfte seine Kleidung zurecht und straffte den Oberkörper. »Es geht mir gut!«, antwortete er barsch und setzte seinen Weg mit weichen Knien fort.
    Im Gehen wischte er sich über den Mund und blickte prüfend an sich hinunter. Nicht ein Tropfen Blut hatte seine Nase verlassen. Offenbar nur ein leichter Anfall. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Die Abstände zwischen den Attacken wurden von Tag zu Tag kürzer. Er wusste, dass es noch schlimmer werden würde, doch er hatte keine andere Wahl als sich auch weiterhin damit abzufinden.
    Er stieg die Treppe hinauf in die dritte Etage und betrat seine Wohnung. Die beiden Einkaufstaschen schnitten unerbittlich mit ihren Henkeln in das blau gefärbte Fleisch seiner Hände. Seine Armmuskeln brannten wie Feuer. Mit einem Stöhnen lockerte er den Griff und die prallen Tüten fielen klirrend zu Boden. Der süßliche Geruch von Essiggurken schlug ihm entgegen und die mit Senfkörnern und Zwiebelringen versetzte Flüssigkeit schattierte die Patina der Holzdielen. Fluchend nahm er die Küchentücher aus einem der Beutel, riss die Folie auf und wickelte mehrere Lagen von einer der Rollen ab. Dann beugte er sich zu der Pfütze hinunter.
    In diesem Moment packte ihn jemand von hinten. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Hals. Verzweifelt versuchte er sich zur Wehr zu setzen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Seine Beine gaben unter ihm nach und er fiel vornüber. Zwei kräftige Arme fingen ihn auf und ließen ihn sanft zu Boden gleiten.
    Er lag einfach nur da. Aus den Augenwinkeln tauchten zwei dunkle Hosenbeine in schwarzen Schuhen auf, die wieder und wieder aus seinem Blickfeld verschwanden. Er atmete laut und schnell. Sein Herz hämmerte panisch gegen den Brustkorb, als wollte es, wie ein Parasit, den sterbenden Wirt rechtzeitig verlassen. Doch es fand keinen Ausweg. Es war zu spät.

-1-
    E in Blitz riss das Wolkenfeld über den Dächern in Stücke. Wie eine Marionette tanzte die Stadt an unzähligen Wasserfäden und versank in der Dunkelheit, die mit dem schweren Gewitter heraufgezogen war. Im Schritttempo ächzte der Verkehr über den Asphalt.
    Nur mit Mühe gelang es Lorenz, sich durch die verregnete Windschutzscheibe seines Dienstwagens zu orientieren und halbwegs die Spur zu halten. Flackerndes Blaulicht am Ende der Straße führte ihn die letzten dreihundert Meter an den Tatort heran. Den Mantel über den Kopf gezogen stieg er aus dem Wagen und hastete durch den Hauseingang des alten Backsteingebäudes. Er folgte der regennassen Spur auf dem Boden über die Treppe hinauf in die dritte Etage, zog sich die Überschuhe an und trat in die Wohnung. Beamte der Spurensicherung beugten sich über den Leichnam. Blitzlichter erhellten für Sekunden den Raum. Ein Fotograf war eifrig bemüht, aus jeglicher Perspektive das daliegende Opfer einzufangen.
    »Jakob?«, rief ihn jemand. Es war die Stimme von Karl Tornsen, der gewissenhafteste Rechtsmediziner, den Lorenz im Laufe seiner Dienstzeit beim Morddezernat kennengelernt hatte. Der Hauptkommissar blickte um sich und sah die hagere Gestalt auf sich zukommen.
    »Du bist wieder im Dienst?« Tornsen wirkte überrascht.
    »Sieht ganz so aus«, erwiderte Lorenz mit einem bitteren Grinsen. Er ahnte, was jetzt kommen würde.
    »Hör mal, tut mir leid, das mit deinem Kollegen.« Der Rechtsmediziner klopfte ihm auf die Schulter. »Und? Wie geht’s dir?«
    »Lorenz bemühte sich, Tornsens Blick standzuhalten und löste sich vorsichtig aus dessen Griff. »Alles in Ordnung«, beteuerte er, obschon die Ereignisse der vergangenen Tage ihm mächtig zugesetzt hatten. Und wieder spürte er, wieviel Kraft ihn der letzte Fall gekostet hatte, bei dem sein Kollege Erik Frenzen ums Leben
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