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Berger, Fabian

Berger, Fabian

Titel: Berger, Fabian
Autoren: Tiefschlaf
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Einrichtung wirkte eher spartanisch. Er griff in einen Stapel aus Zeitungen und überprüfte die Zwischenräume nach möglichen Briefsendungen. Erst dann reagierte er auf die letzten Ausführungen des jungen Beamten. »Verstehe! Was sagt die Spurensicherung?« Zum ersten Mal sah er dem Kollegen in die Augen.
    »Die Wohnungstür wurde von außen vermutlich mit einem Dietrich geöffnet und zwar äußerst professionell, da kaum Spuren am Schloss zu finden sind. Außerdem muss der Täter geräuschlos vorgegangen sein. Das Opfer ist offenbar von ihm überrascht worden.«
    »Lorenz bemerkte die Einkaufstüten auf dem Fußboden in der Nähe der Eingangstür. Der Geruch von Essiggurken lag in der Luft. »Also, das Opfer kommt in die Wohnung, wartet im Flur, bis der Täter endlich das Schloss geknackt hat, und lässt sich dann von ihm überwältigen? Das passt nicht zusammen. Entweder hat der Täter direkt mit dem Opfer die Wohnung betreten oder er war bereits drin und hat ihn an der Tür abgefangen. Alles andere ergibt keinen Sinn.« Er war wieder bei der Leiche angekommen. »Was mich allerdings stutzig macht, ist die Art der Verletzungen. Warum, um alles in der Welt, hat der Täter sein Opfer erst erschossen und ihm dann die Schädeldecke geöffnet? Und aus welchem Grund?«
    Tornsen fuhr ihm dazwischen. »Es könnte sich aber auch umgekehrt zugetragen haben.«
    Lorenz konnte dem Gedankenexperiment des Mediziners nicht folgen und sah ihn fragend an.
    »Ich meine, es könnte doch sein, dass der Täter das Opfer erst erschossen hat, nachdem er ihm die Schädeldecke geöffnet hat«, erklärte Tornsen.
    »Dann müssten heftige Abwehrverletzungen festzustellen sein, die augenscheinlich nicht vorhanden sind«, entgegnete Lorenz.
    »Stimmt. Bisher habe ich keine derartigen Läsionen erkennen können, doch die Obduktion wird uns eine Antwort auf diese Frage liefern. Schließlich gibt es genügend Möglichkeiten jemanden außer Gefecht zu setzen.«
    Lorenz nickte. »Dann schlage ich vor, dass jeder sich an die Arbeit macht.« Er drehte sich zu dem jungen Beamten. »Ich möchte den Bericht der Spurensicherung so schnell wie möglich auf meinem Schreibtisch haben. Nehmen Sie die Aussagen aller Nachbarn auf. Ich will wissen, wer an diesem Tag was gemacht hat. Und überprüfen Sie die Angaben bis ins Detail. Außerdem möchte ich, dass jede kleinste Ecke der Wohnung auf den Kopf gestellt wird. Irgendetwas wird schon über den Bewohner herauszufinden sein.« Dann wandte er sich an Tornsen: »Bitte beeil dich, ich brauch die Ergebnisse möglichst schnell.«
    »Natürlich! Sobald ich was habe, melde ich mich bei dir.«
    Lorenz hatte alles Nötige gesagt. Zielstrebig verließ er die Wohnung, stieg die Treppe hinunter und trat aus dem Haus. Der Regen hatte bereits nachgelassen. Das dunkelgraue Wolkenband zog allmählich über die Stadt hinweg. Große Wasserpfützen hatten sich an einigen Stellen der Gosse gebildet, die nur langsam von der überlasteten Kanalisation aufgenommen wurden. Mit einem kräftigen Atemzug inhalierte er die frische Luft und für einen Moment entspannten sich seine Gesichtszüge, obwohl er bereits ahnte, dass ihm dieser Fall einiges abverlangen würde.

-2-
    D er mit Schweiß- und Nikotingestank überladene Konferenzraum machte Jan Vollmer die Wartezeit auf die bevorstehende Pressekonferenz zu einer Tortur. Der Lärm der zahlreich erschienenen Kollegen dröhnte in seinen Ohren und untergrub jeglichen Versuch, sich auf die kurzfristig angesetzte Konferenz vorzubereiten. Wie so oft in letzter Zeit stellte er sich die Frage, was ihn damals dazu bewogen hatte, diesen Beruf zu ergreifen. Doch so sehr er sich auch zu erinnern versuchte, eine für ihn befriedigende Antwort blieb auch dieses Mal aus. Den Traum von großen und weltbewegenden Reportagen hatte er bereits während des Praktikums aufgeben müssen. Sein damaliger Redakteur hatte es als seine Pflicht angesehen, ihn direkt zu Anfang auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Warum hatte er daraufhin nicht die Notbremse gezogen? Wieso war er so dumm gewesen, trotzdem weiter zu machen? Er wusste es nicht mehr. Zu viele Jahre waren seitdem vergangen. Vollmer ließ seine Blicke durch den Raum schweifen und erkannte sich in den Ausdrücken der Gesichter seiner Kollegen wieder. Den meisten schien es ähnlich ergangen zu sein. In jeder Generation gab es nur eine Handvoll Journalisten, die aufgrund eines glücklichen Zufalls das obere Ende der Karriereleiter erklommen hatten.
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