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Des Teufels kleines Wörterbuch

Des Teufels kleines Wörterbuch

Titel: Des Teufels kleines Wörterbuch
Autoren: Ambrose Bierce
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Nachwort
     
    Wer zum Lexikon greift, möchte beraten und nicht zum Narren gehalten oder zurechtgewiesen werden. Dieser Wunschvorstellung kommt das vorliegende Diktionär nicht entgegen, denn es ist ein möglicher Anfang vom Ende jeglicher wissenschaftlicher – sprich: seriöser – Lexikographie. Der Benutzer wird also gut daran tun, es gegen den Strich zu lesen. Bierce ordnet seine Worteinheiten zwar in alphabetischer Reihenfolge, doch ansonsten verstößt er gegen sprachwissenschaftliche Konventionen und elementare Regeln, auch der Logik, nach denen eben weiß nicht schwarz heißt. Über dreihundert meist bittere Pillen wurden aus der Bierceschen Sammlung „The Devil's Dictionary" (1911) ausgewählt, die in der ersten, weniger umfangreichen Ausgabe des Jahres 1906 noch den Titel „The Cynic's Word Book“ trug. Die geschliffenen Sentenzen, an denen Bierce seit 1869 arbeitete und deren erste Folge 1875 als Zeitungsabdruck erschien, sind nicht selten in erläuternde Passagen eingebettet, erweitert durch fingierte Zitate und Gedichte nicht existierender Poeten. Es erschien daher reizvoll, den Spötter einfach beim Wort zu nehmen und auf seine Kernsätze festzunageln, wobei das, was zu stark an seine Zeit oder den Ort San Francisco gebunden war, unberücksichtigt bleiben durfte. Als sachliche Information sind die Worterklärungen allerdings auch in ihrer knappen Form unbrauchbar, mit der Semantik ist eben kein Schindluder zu treiben. Der Autor entscheidet sich für die Unsachlichkeit, verkleidet in Gewänder wie Paradoxon, Antithese oder Untertreibung, und kommt damit zur eigentlichen Sache. Er versucht, durch ironische und zynische Definitionen zu überraschen, zu schockieren und das, was institutionalisiert ist, in Bewegung zu bringen. Das gelingt nur, weil er mit geradezu teuflischer Raffinesse den Erwartungshorizont des Benutzers unterläuft. Die Provokation ist sein Metier, die Vertreibung heiliger Kühe sein Anliegen. Das horrende Mißverhältnis zwischen Schein und Sein, zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Amerika seiner Zeit verführt ihn, überzeugende, seit Generationen akzeptierte Erklärungen zu verwerfen, weil er mit Recht argwöhnt, da müsse etwas anderes dahinterstecken, zum Beispiel Selbstzufriedenheit, Scheinheiligkeit, eine schlichte Ungereimtheit, eine Lüge gar oder, zur Genugtuung des advocatus diaboli, eine Gemeinheit, eine hinterhältige Artigkeit – Menschliches, Allzumenschliches. „Dieses Werk wendet sich an aufgeklärte Leute, die trockenen Wein süßem vorziehen, Verstand dem Gefühl, Witz dem Humor.“ So die Widmung des Verfassers in der Ausgabe des „Devil's Dictionary“ aus dem Jahre 1911, die auch unserem Bändchen vorangestellt worden wäre, hätte sich nicht seine böse Lobeshymne auf die USA angeboten. Wer war dieser Widerspruchsgeist, der überall ein Haar in der Suppe entdecken wollte und folglich auch entdeckte? Heute, fast siebzig Jahre, nachdem er auf mysteriöse Weise im Nachbarland Mexiko verschwand, wo gerade eine Revolution stattfand, haftet Bierce noch etwas Rätselhaftes an. Dabei sind die wichtigsten Lebensdaten bekannt und von mehreren Biographen sorgfältig aufgearbeitet worden. Ambrose Gwinett Bierce, das zehnte von insgesamt dreizehn Kindern, wurde 1842 in einem Krähwinkel im Meigs County, Ohio, als Sohn aus Neuengland zugewanderter, streng religiöser Farmer geboren. Mit fünfzehn Jahren entfloh er der Armut und Enge des Elternhauses und begann eine Druckerlehre. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges (1861–1865) schloß er sich den Unionstruppen an, zeichnete sich in einigen großen Schlachten aus und nahm 1866 enttäuscht seinen Abschied von der Armee, weil die erwartete Beförderung ausblieb. Nun begann seine journalistische Laufbahn in San Francisco. Bereits 1868 fand er feste Anstellung beim „News Letter and Commercial Advertiser“, wo er sich rasch etablierte und die unter dem Titel „The Town Crier“ (Der Ausrufer) erscheinende Spalte übernahm. Von 1872 bis 1875 hielt er sich in England auf und verfaßte bissige Epigramme und Skizzen, die er unter dem Pseudonym Dod Grile in den Bänden „Nuggets and Dust Panned Out in California” (1872), „The Fiend's Delight” (1872) und „Cobwebs from an Empty Skull” (1874) veröffentlichte. Nach San Francisco zurückgekehrt, war er zunächst als Mitherausgeber der Zeitschrift „The Argonaut“ tätig, verdingte sich wenig später als Manager einer Goldmine, bis ihm schließlich der Posten eines
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