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Phantom der Lüste

Phantom der Lüste

Titel: Phantom der Lüste
Autoren: Hanna Nowak
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bewegt, Mademoiselle. Oder seid Ihr Euch plötzlich selbst nicht mehr sicher?“
    Gilbert kam näher und das Licht der Kerze, die Francoise trug, reflektierte sich in seinen Augen. „Vielleicht ist er ja nicht der Richtige?“
    „Natürlich ist er das!“, empörte sie sich. „Ich werde Jean heiraten. Meinen Eltern zuliebe. Und der Politik wegen. Aber auch aus freien Stücken. Ich will seine Frau werden. Ich bin nur unsicher, ob er auch etwas für mich empfindet. Ich meine, wieso ist er weggerannt? War es wegen mir? Oder nur der Schrecken, weil er nichts von den Heiratsplänen wusste? Oh, Gilbert, wie soll ich mich verhalten? Eine Ehe ohne Leidenschaft, das ist doch etwas Schreckliches.“
    „Dann findet heraus, wie es um seine Gefühle für Euch bestellt ist.“
    „Aber wie?“
    „Das sollte doch wohl für eine Frau wie Euch kein Problem sein. Ihr seid schön. Setzt Eure Waffen ein. Und wenn er kein Dummkopf ist, wird er Euch aus der Hand fressen.“
    Gilbert zwinkerte ihr zu und Francoise verstand, seufzte. Solch ein anrüchiger Vorschlag konnte natürlich nur von Gilbert stammen. Kein Wunder, dass Vater immer ein strenges Auge auf seinen Diener hatte, wenn er sich Francoise näherte. Ein Treffen wie dieses hätte Papa nicht mal erlaubt.
    Eigentlich hatte Francoise bis zur Hochzeitsnacht warten wollen, aber es sprach wohl nichts dagegen, in diesem besonderen Fall, sich schon etwas früher miteinander vertraut zu machen. Sicherlich würde das Jean von den Vorzügen einer Hochzeit mit ihr überzeugen. Der arme Kerl war ja ganz aufgeregt und durcheinander gewesen, weil alles so überraschend über ihn hereingebrochen war. Sie hätte sicher kaum anders reagiert, wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre. Doch vielleicht hatte er sich inzwischen beruhigt. Ganz gewiss sogar.
    Francoise atmete tief durch, nickte entschlossen und huschte in ihrem wehenden Nachtgewand wie ein Gespenst durch den langen Flur, bis sie Jeans Gemach erreichte. Sie hörte Geräusche von drinnen und klopfte zaghaft an, als er jedoch nicht reagierte, öffnete sie die Tür einen Spalt und lugte hindurch. Kerzen erhellten den Raum. Sie konnte sein Bett erkennen und die unzähligen Kleider, die dort fein säuberlich zusammengelegt auf der Tagesdecke lagen. Und sie sah einen Koffer.
    Erschrocken zog sie die Tür wieder zu und der Knall hallte durch den Flur. Jean wollte fliehen! Vor der Hochzeit mit ihr! Oh du liebe Güte. Was sollte sie jetzt tun? Francoise biss sich sacht in den Finger, wie sie es immer tat, wenn Nervosität sie zu übermannen drohte. Wo war Gilbert? Sie brauchte ihn jetzt. Aber der Diener war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich in seine Kammer zurückgezogen. Sie hätte ihn dort aufsuchen können, um seinen Rat einzuholen, doch die Uhr tickte. Jean war drauf und dran alle Brücken hinter sich abzureißen. Sie musste schnell handeln.
    Behalte einen klaren Kopf, ermahnte sie sich. Die meisten Männer bekamen erst vor dem Traualter kalte Füße. Aber dies war ganz offenbar ein besonderer Fall.
    Nein, das durfte er ihr nicht antun. Wie stünde sie dann da? Vor ihren Freundinnen. Vor ihrer Familie. Zum Gespött würde sie werden. Genau wie er. Nein! Sie musste mit ihm reden, ihn davor bewahren, etwas Unbedachtes zu tun, das für sie beide in einem Desaster enden konnte.
    Entschlossen wandte sie sich um, drückte die Klinke hinunter und stand schon in dem riesigen Schlafzimmer. Aber die Kleider und der Koffer waren fort. Auch von Jean fehlte jede Spur. Und dann sah sie ihn.
    Sebastien.
    Er war nackt. Lag im Gras. Anzüglich. Was hatte das zu bedeuten? Warum besaß Jean ein solches Bild von ihrem Bruder?
    Sie war starr vor Schreck und brauchte einige Sekunden, ehe sie sich wieder fing.
    Wut stieg in ihr hoch. Das ziemte sich nicht. Das war ungeheuerlich.
    Sie kletterte auf sein Bett und wollte es abnehmen, da merkte sie, dass es nicht nur ein, sondern gleich zwei Gemälde in einem waren und dass sie hier einem Geheimnis auf die Spur gekommen war, das sie fassungslos machte.
    „Jean?“, rief sie in die Stille hinein, denn nun wollte sie ihn erst recht zur Rede stellen. Niemand antwortete. „Jean, seid Ihr hier?“ Noch immer keine Antwort. Doch langsam fügte sich alles zusammen und sie verstand, warum er sich so merkwürdig verhielt. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie schluckte sie tapfer hinunter, erlaubte sich nicht, zu weinen.
    Da sah sie, dass das Fenster offen stand. Der kühle Nachtwind wehte hinein und
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