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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde
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1. KAPITEL
    Ehe der Jagdaufseher nach draußen ging, um seine Waffe aus dem Pick-up zu holen, hatte er viereinhalb Pfund Fleisch gebraten und verspeist.
    Er begann mit Pronghornsteaks, die er in hauchdünne Scheiben schnitt, panierte und in Olivenöl briet. Dann bereitete er ein Wapitikotelett mit Salz, Pfeffer und gehacktem Knoblauch in einer Eisenpfanne zu. Während die Steaks brutzelten, trank er schlückchenweise ein Glas kanadischen Honigwhiskey mit Wasser und Eis. Beim Grillen von sechs Trauertaubenbrüsten hielt er sich nicht mehr mit Eis und Wasser auf. Und als er sich am späten Abend über ein Wapitifilet hermachte – so kurz gebraten, dass es im Blut schwamm – , trank er schließlich aus der Flasche.
    Bis auf den Knoblauch und die gedünsteten Gürkchen auf dem T-Bone-Steak eines mit Gras gefütterten Hereford-Rinds aß er kein Gemüse, nur Fleisch.
    Er brauchte Frischluft und stand auf.
    Ihm war schwindlig, das Zimmer drehte sich, und seine schweren Stiefel polterten dumpf über den Fußboden. Er hielt sich am Türpfosten fest, starrte auf den Fliegendreck an der Wand und versuchte, aus den Vierfachbildern vor seinen Augen etwas erträglichere Doppelbilder zu machen.
    Schließlich öffnete er die Tür. Es war dunkel. Nur an der Straßenecke brannte eine blaue Laterne. Der Vollmond tauchte den Fels der Berge in zartes Blaugrau. Es war schon herbstkalt. Er taumelte über den ramponierten Gehweg zu seinem Wagen, der bei jedem Schritt an- und wieder abzuschwellen schien – so als würde er atmen.
    »Riecht gut da drin«, sagte jemand. Der Jagdaufseher fuhr zusammen, blinzelte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und bemühte sich, sie trotz des Rauschens in seinen Ohren zu verstehen. Ein Nachbar mit Baskenmütze stand mit seinem Pudel auf der Straße.
    »Fleisch«, erwiderte Will Jensen schroff, beinahe schreiend. In letzter Zeit fiel es ihm mitunter schwer, über das Rauschen hinweg überhaupt noch die eigene Stimme zu vernehmen.
    »Wiedersehen«, rief der Nachbar und ging die Straße hinunter. »Und bon appétit! «
    Diese Leute hier, dachte Will – ein gottverdammter Pudel und eine Baskenmütze!
    Seine .44er Magnum, seine Bärenwaffe, lag auf der Sitzbank seines Pick-up. Will zog sie aus dem Holster, hielt sie lose in der Rechten, wandte sich wieder zum Haus, stolperte über seine Stiefel und fiel in den Schotter. Ein warnend erhobener Zeigefinger bohrte sich in sein Hirn: bloß nicht im Stürzen versehentlich die Waffe abfeuern. Dann lachte er auf und dachte: Wen kümmert’s?
    Als er hochschreckte wusste er nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er saß noch immer am Tisch, war jedoch bewusstlos mit dem Gesicht in den Teller gekippt. Knusprige Waldhuhnhaut klebte ihm an der Wange; er tastete unbeholfen danach, bis sie schließlich herunterfiel.
    Verärgert fegte er alles vom Tisch. Fettschlieren zogen sich über die Resopalplatte. Der schmutzige Teller zerbrach an der Wand.
    Wo war seine .44er?
    Er fand sie auf dem Bett, wohin er sie zuvor geschleudert hatte. Er ging mit ihr und einem gerahmten Foto seiner Familie, das auf dem Nachttisch stand, zurück in die Küche.
    Verloren war ein Wort, das er in den letzten Monaten liebgewonnen hatte. Es klang wie das, was es beschrieb. » Verloren «, sagte er laut zu sich. » Ich fühle mich verloren. Ich bin ein Verlorener. « Etwas an diesem Wort beruhigte ihn, da es ihn beschrieb und ihn sich eingestehen ließ, was er war.
    Was, zum Teufel, war los mit ihm? Warum fühlte er sich so, nachdem er sich so viele Jahre im Gleichgewicht gehalten hatte?
    Das Rauschen in den Ohren war nun so schwach wie eine sanfte Brise in den Baumkronen. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er nahm einen langen Zug aus der Flasche, spannte die .44er, beobachtete, wie der Zylinder sich drehte, öffnete den Mund und drückte die Mündung an den Gaumen. Es schmeckte bitter und verbrannt. Wann hatte er die Waffe zuletzt gereinigt?
    Als ob es darauf noch ankäme!
    Er blickte auf das verschwommene Foto auf dem Tisch, schloss dann die Augen so fest, dass hinter seinen Lidern ein Feuerwerk in Orange aufloderte. Er konzentrierte sich auf die .44er in der Faust und die Mündung im Mund, doch sein Magen brannte wie Feuer. Er kämpfte mit dem Brechreiz, und der bittere Whiskey kam ihm hoch.
    Reiß dich zusammen …

2. KAPITEL
    Bud Longbrake und Missy Vankueren heirateten an einem sonnigen Samstagmittag im September auf dem Rasen vor der Longbrake Ranch, dreißig Kilometer
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