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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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erkältet...«
    »Es geht ja in den Frühling«, sagte Manfred, »tagsüber werden wir sowieso draußen an der Sonne sein.«
    Ich knallte die Bibel demonstrativ in die Nachttischschublade. »Hoffentlich hält das Essen nicht, was es alles hier verspricht!«
    »Glaub an Wunder!«
    Ein Gong erklang. Wir eilten nach unten in den Speiseraum und mußten feststellen, daß der Gong nicht zum Essen, sondern zu einer Andacht gerufen hatte. Weder Suppe noch Nachspeise waren vorgesehen, auf den Tischen lagen nur Gabeln und Messer. Wir nahmen Platz und warteten. Die Andacht dauerte lange, das Kind in meinem Bauch boxte ärgerlich. Endlich kamen die Heiminsassen, ältere Herrschaften, lange Röcke, düstere Anzüge. Sie setzten sich nicht. Sie standen hinter ihren Stühlen. Eine sonore Männerstimme sprach ein langes Gebet. Beim Versuch, leise und unbemerkt aufzustehen, warf Manfred seinen Stuhl um. Nach dem Gebet machten wir Anstalten, uns wieder zu setzen, nicht so die anderen Anwesenden. Sie blieben stehen und sangen »Danket, danket dem Herrn...«
    Was für ein Aufwand für ein so kleines Ereignis! Was für ein überschwenglicher Dank für ein so mickriges Essen! Es gab Pfefferminztee, Brot und ein paar Rädchen Wurst. Bei dem Schlußgebet: »Wir danken Gott für seine Gaben, die wir von ihm empfangen haben...« schwieg ich, um nicht zu heucheln. Erst bei den Worten »...und bitten unsern lieben Herrn, er woll uns hinfort mehr beschern...« stimmte ich herzhaft mit ein. Nach dem »Amen« steuerten wir schnell dem Ausgang zu, aber kurz vor der Tür erreichte uns ein älterer Herr, der sich als »Pfarrer in Ruhe Wiesenthal« vorstellte. Er begrüßte den jungen Amtsbruder und bat ihn, morgen den Dienst zu übernehmen. Es handle sich nur um Morgen- und Abendandacht und um die Tischgebete. Dann lud er uns noch zur Bibelstunde ein, die jeden Abend stattfände, sehr wertvoll wäre und den Kolosserbrief zum Mittelpunkt hätte. Ganz gebrochen wankten wir die Treppen hinauf. Ein halbes Stündchen blieb noch Zeit bis zur Bibelstunde. Wir beschlossen ins Kino zu fahren. An der Pforte war man erstaunt, daß wir noch fortgingen. Ob wir wüßten, daß heute abend Bibelstunde wäre?
    »Ja«, sagte Manfred, »wir wissen es.«
    Draußen stand unser Roller. Wir sausten davon, als sei der Teufel hinter uns her. Der Weg zum Städtchen war weit und die Straße voller Löcher. Es gab nur ein Kino und dort lief der Film »Wir werden das Kind schon schaukeln«. Ein lustiger Film. Wir hatten viel Spaß und ein schlechtes Gewissen.
    »Mir ist so komisch«, sagte ich zu Manfred, aber der meinte, das käme vom Pfefferminztee, den ich nicht gewohnt sei. Auf dem Heimweg versuchte er die Löcher zu umfahren, mit dem Erfolg, daß es mir noch komischer wurde. Das Erholungsheim lag in völliger Ruhe und Dunkelheit. Wegen der Bibelstunde hatten wir nicht gewagt, um einen Hausschlüssel zu bitten. Manfred klopfte an die Eingangstür. Nichts regte sich, nur hinter dem Haus bellte ein Hund. »Vielleicht kann ich durch ein offenes Fenster einsteigen«, sagte Manfred, aber ich klammerte mich an ihn, »nein, bloß das nicht! Laß mich nicht allein!«
    In Tübingen, vor dem Tor des Stifts hatte ich auch so gestanden, damals im 3. Semester. Wir kamen von einem Studentenfest, Manfred, zwei andere Stiftler und ich. Es war schon nach 22 Uhr, und das Stift demzufolge geschlossen.
    Nun hätten die drei klingeln können und wären von einem der Hausdiener hereingelassen worden. Aber das wollten sie nicht. Dann hätte nämlich der Herr Ephorus von ihrer späten Heimkehr erfahren, und sie wären, zwar mit milden Worten, aber doch vermahnt worden. Nein, sie gedachten, über das Tor in den Hof zu klettern und durch ein offenes Klofenster in das Haus zu gelangen. Dergleichen hätten sie schon öfters gemacht, es wäre kein Risiko dabei. Ich sollte vor dem Tor stehen bleiben, um bei eventuell doch auftauchenden Schwierigkeiten den Hausdiener abzulenken. Also stiegen sie über das Tor, leise und gewandt, denn sie kannten jeden Tritt. Kaum aber waren sie meinen Blicken entschwunden, da erhob sich hinter der Mauer ein großes Getöse. Eilige Schritte im Hof, Fensterklirren, erregte Stimmen. Offensichtlich waren Schwierigkeiten aufgetaucht, aber ich sah mich außerstande, irgendjemanden abzulenken. Ich drehte um und entfloh. Nachts schlief ich schlecht, sah Manfred aus Stift und Kirchendienst vertrieben, unfähig, je ein Weib zu ernähren.
    Am nächsten Morgen stand er vor der
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