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Das falsche Opfer

Das falsche Opfer

Titel: Das falsche Opfer
Autoren: Carter Brown
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Erstes Kapitel
     
    E s war eine hübsche freie Straße, und ich fuhr mit dem Austin Healey nicht
über hundert, weil es immer ärgerlich für einen Polizeibeamten ist, wenn er
wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bestraft wird. Aber dann, schon eine
Minute später, verwandelte sich mein unbeschwertes Dasein in einen Hexenkessel.
    Der
Bursche sauste, aus dem Nichts herauskommend, auf mich zu, nicht nur mit der
dreifachen Geschwindigkeit meines Wagens, sondern auch gleichzeitig beide
Fahrbahnen benutzend. Ich wußte nicht, wo er seinen Führerschein bekommen
hatte, aber man hätte annehmen sollen, irgend jemand habe ihm mal gesagt, daß eine Autostraße kein Jagdgrund für kleine Flugzeuge
ist.
    Mein
Fuß trat automatisch auf die Bremse, während das Flugzeug so nahe herunterkam,
daß sein Fahrgestell meine Windschutzscheibe ausfüllte. Neben mir befand sich
ein seichter breiter Graben, der nicht übermäßig einladend aussah, der aber
nichtsdestoweniger der drohenden Gefahr des Geköpftwerdens vorzuziehen war. Deswegen steuerte ich, den Fuß noch immer auf der Bremse, hart
auf den Graben zu.
    Im
letzten Augenblick zog das Flugzeug nach oben, wobei, das kann ich beschwören,
seine Räder nicht mehr als fünfzehn Zentimeter vom oberen Rand meiner
Windschutzscheibe entfernt waren. Der Healey kam zu einem plötzlichen Halt, als
seine Vorderräder sanft im Graben ruhten. Bis ich mich soweit gefaßt hatte, um nachzusehen, ob das vordere Ende des Wagens in irgendeiner
Weise Schaden gelitten hatte, war das Flugzeug freundlich dröhnend in der
blauen Unendlichkeit des Himmels verschwunden. Wenn sich je ein Mensch einen
strafenden Blitzschlag herbeigewünscht hat, so war es in diesem Augenblick Al
Wheeler.
    Ich
brauchte zehn Minuten, um den Healey wieder zurück auf die Straße zu bugsieren,
und weitere fünfzehn Minuten, um den Briefkasten zu finden, auf dem in großen,
weißen Buchstaben Kramer stand. Ich folgte der holprigen Fahrspur, die
ungefähr einen halben Kilometer weit zum Haus führte, dann bog ich in einen
noch holprigeren Weg ein, der direkt zu dem etwa anderthalb Kilometer vom Haus
entfernten Landestreifen führte.
    Am
Ende des Landestreifens befand sich eine Gruppe von fünf dicht
beieinanderstehenden Personen, welche die Landung des kleinen Flugzeugs
beobachtete. Etwa hundert Meter weit davon entfernt parkte ich meinen Healey
hinter einem Baum. Ich traute dem Piloten alles zu; und wenn er derartig auf
mein Auto versessen war, überlegte ich, sollte er wenigstens erst den Baum
mitnehmen müssen. Während ich zu der Gruppe hinging, die beobachtete, wie das
Flugzeug aufsetzte, begann es in mir sanft zu rumoren, ähnlich einem nicht mehr
aktiven Vulkan, der im Begriffe war, sich eines anderen zu besinnen. Als der
Sheriff mich zum erstenmal beauftragt hatte, einigen
Klagen über Belästigungen durch Kunstflüge nachzugehen, war ich wie versteinert
gewesen. Ich, ein auf Mordfälle spezialisierter Kriminallieutenant und so weiter und so weiter. — Aber nach dem nervenaufpeitschenden Erlebnis auf
der Straße fühlte ich mich nur noch als ein den Wünschen meiner Vorgesetzten
willfähriger Polizeibeamter.
    »Kramer«,
sagte ich laut genug, um das Motorengeräusch der sich nähernden Maschine zu
übertönen.
    Ein
großer Kerl mit sportlicher Figur, die Ansätze zum Fettwerden zeigte, drehte
sich um und blickte mich mit einem Ausdruck der Verärgerung auf dem gutgeschnittenen
Gesicht an. »Ich bin beschäftigt«, sagte er kurz angebunden. »Kommen Sie ein
andermal wieder.«
    »Ich
bin Lieutenant Wheeler vom Büro des Countysheriffs «,
sagte ich förmlich. »Und was ich für Sie in petto habe, duldet keinen
Aufschub.«
    »Polizei?«
Er grinste verächtlich. »Was ist denn los? Ein Strafzettel wegen
Parkvergehens?«
    »Zunächst
einmal könnten Sie mir sagen, welcher Idiot mit diesem Flugzeug herumfliegt«,
bemerkte ich kalt.
    »Wozu?«
    »Weil
ich Polizeibeamter bin und Sie gefragt habe. Weil ich beabsichtige, ihn wegen
Gefährdung der Öffentlichkeit einzubuchten, ihm seinen Pilotenschein entziehen
zu lassen, und wie ich hoffe, ihn für zwei Monate ins Countygefängnis zu schicken«, sagte ich ohne Punkt und Komma. »Und wenn Sie noch unverschämt
werden wollen, kann ich dafür sorgen, daß Sie ihm Gesellschaft leisten werden.«
    Das
Flugzeug kam nun über den Landestreifen auf uns zu, und der Best der Gruppe
gelangte plötzlich zu der Überzeugung, daß meine Unterhaltung mit Kramer
interessanter als die Landung
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