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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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Spannung, waren dafür aber weitschweifig angelegt und zeigten Liebe zum Detail. Die Pfarrherren, gewohnt selber zu sprechen, rutschten schon bald unruhig hin und her, schielten nach der Uhr und seufzten. Ihre Frauen dagegen strickten und stopften nach Herzenslust, nickten dem Redner ab und an wohlwollend zu und freuten sich über jedes Wäschestück, das sie ausgebessert in den Korb zurücklegen konnten.
    »Wenn er nur noch ein halbes Stündchen durchhält, dann bin ich mit der ganzen Wäsche fertig!« flüsterte mir meine Nebensitzerin zu und bedachte den Redner mit einem so verständnisvollen Blick, daß er, dessen Redefluß allmählich zu versiegen drohte, neues Wasser auf seinen Mühlen fühlte und wieder eifrig zu klappern begann.
    Besonders sorgfältige Damen hielten die geflickten Wäschestücke gegen das Licht, um noch vorhandene »blöde« Stellen zu entdecken. Auf diese Weise konnte man ungeniert die Unterwäsche der anderen Pfarrfamilien betrachten, und keines Menschen Herz fand etwas Anstößiges daran.
    Nur beim ersten Pfarrkranz saß ich ohne Stopfkorb da, mit müßigen Händen und müdem Kopf den Tiraden des Redners ausgeliefert. Rechts von mir drehte Manfred nervös die Daumen, links suchte ein Pfarrer, geräuschvoll im Gesangbuch blätternd, die Lieder für den Sonntag heraus. Zum nächsten Treffen schleppte auch ich einen Flickkorb mit. Ich hatte schon lange nichts mehr gestopft und konnte es gar nicht erwarten, nach dem Kaffeetrinken an die Arbeit zu kommen. Den Korb stellte ich hinter meinen Stuhl, denn unter den Tisch paßte er nicht und auf dem Tisch hätte er mir die Aussicht versperrt.
    »Da hat sich aber was zusammengeläppert!« sagte Amtsschwester Birchele anerkennend, »wollen Sie das alles heute fertigbringen?«
    »Alles!« sagte ich, »es geht schnell!«
    Ich muß zugeben, daß bei diesem Vortrag wenig Frauen zuhörten und noch weniger arbeiteten. Alle Blicke waren auf meine flinken Finger gerichtet. Ich zog die Löcher mit einer Geschwindigkeit zusammen, daß den anderen Näherinnen die Augen übergingen.
    »Aber Kindchen, was machen sie denn da?« flüsterte eine ältere Dame, derweil der Redner die nackten Heidenkinder beklagte, »wer soll diese Wäsche denn später anziehen?«
    »Wir«, sagte ich, »mein Mann und ich! Sehen Sie noch irgendwo ein Loch?«
    »Ach Gott, nein. Aber...« Sie verstummte.
    Ich stopfte, bis der Korb leer war und wandte mich dann meinen Nachbarinnen zu, um ihnen zu helfen. Nun war ich wunderbar in Schwung. Aber sie warfen sich schützend über ihre Körbe, packten alles zusammen und sagten, daß sie diese Stücke zu Hause mit der Maschine nähen müßten. Manfred grinste herüber. Ich wies stumm auf den leeren Korb. Sein Lächeln wurde noch breiter. Er nickte anerkennend. Liebevolle, mitleidgetränkte Pfarrfrauenblicke flogen ihm zu.
    »Ach, der Arme!« flüsterte Amtsschwester Schmeider. »Wieso arm?« flüsterte ich zurück, »ich finde, meine Löcher fallen überhaupt nicht mehr auf!«
    »Ja aber, sie dürfen sie doch nicht einfach zuziehen, das geht nicht. Haben Sie keinen Handarbeitsunterricht gehabt?«
    »Doch, aber da habe ich vorgelesen.«
    »Ist es die Möglichkeit?! Können Sie stricken?«
    »Nein.«
    »Häkeln?«
    »Nein. Aber, ich kann Strohsterne flechten!«
    »Nein wirklich? Wie schön und nützlich!«
    Nächstes Mal brachte ich den Stopfkorb wieder mit! Mochten sie ruhig meckern, mir ging diese Arbeit im Pfarrkranz leicht von der Hand und außerdem quoll der Korb über, denn die geflickten Löcher brachen immer wieder auf.
    »Hier haben Sie Stroh!« sagte die Frau Dekan und breitete ein halbes Kornfeld vor mir aus, »machen Sie Strohsterne, bitte! Wir schenken sie an Weihnachten den Gemeindedienstfrauen.«
    »Ja, ich würd’s schon gern tun, aber meine Flickwäsche...«
    »Die teilen wir unter uns auf. Strohsterne sind wichtiger!« Sie griffen sich meinen Korb und machten sich an die Arbeit. Alle benützten sie erst einmal die Schere und trennten. Sie stießen leise Schreie, Pfiffe und Seufzer aus. Der Redner, durch soviel Beifallskundgebungen angefeuert, sprach solange wie noch nie. Als er schloß, lagen fünf herrliche Strohsterne vor mir und ein Stoß geflickter Wäsche. Man bewunderte meine Kunstgebilde, ich bestaunte die Wäsche. Wer hätte gedacht, daß gestopfte Löcher so schön aussehen können.
    In Polen hatten wir immer eine Näherin gehabt. Sie nähte unsere Kleider, sie stopfte unsere Wäsche, und sie war meist ein sanftes
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