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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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verarbeitete Hände, im Sommer von der Gartenarbeit, im Winter vom Ofenrußen. Sie schauten genauso besorgt zum anderen Tisch hinüber, wenn sich die Herren über theologische Spitzfindigkeiten in die Haare gerieten.
    Es gab natürlich auch Damen, die unsere Art Sorgen nicht kannten. Solche, die Spitzendeckchen häkelten, ohne daß der feine Faden an den rauhen Händen hängenblieb; die ein Dienstmädchen hatten und Läufer auf den Treppen. Aber diese Damen bereiteten mir keinen Kummer. Ich beneidete sie ein bißchen und nahm mir vor, bei der Gartenarbeit künftig Gummihandschuhe zu tragen. Kummer machten mir die Tüchtigen. Die, die alles gern, leicht und gut taten.
    Die nichts Schöneres kannten, als Pflänzchen zu pikieren und Marmelade einzukochen. Die voll Freude mitarbeiteten in der Gemeinde. Die sich nie über Leute ärgerten. Deren Haus und Herz allzeit offenstand für jegliches Gemeindeglied. Die immer das rechte Wort fanden. Diese Amtsschwestern — zum Glück waren es nur wenige — machten mir Angst. Mit schlechtem Gewissen kam ich nach solchen Begegnungen wieder zurück in unsere Gemeinde. Was für ein Pech für die Weidener, daß sie nur mich als Pfarrfrau erwischt hatten!

Pfarrers Kinder und Müllers Küh.

    Ende April sollte unser Kind zur Welt kommen. Der Arzt hatte es festgestellt und uns versichert, wir könnten uns auf seine Berechnung verlassen.
    »Wenn’s der Frau Pfarrer net emmer so schlecht wär, no dät mer nex merke«, sagte die Mesnerin, »wo soll denn da a Kend sei? Mer sieht jo gar nex!«
    Ich schaute auf mein Bäuchlein hinunter und fand, daß man sehr viel sehe. Zehn Monate waren wir nun verheiratet — unser Kind würde in allen Ehren zur Welt kommen.
    Ein paar Wochen vor der Hochzeit war Evangelisation in der Gemeinde meines Vaters. Der Missionar erkundigte sich leutselig nach dem Termin des Festes. Ich nannte ihm denselben und fugte ahnungslos hinzu: »Es wird aber auch höchste Zeit!« Womit ich sagen wollte: »Höchste Zeit, weil wir uns lieben und zusammen leben wollen usw...«
    Er aber roch Sündhaftes, witterte moralischen Verfall selbst in Pfarrhäusern. Er musterte mich von oben bis unten, besonders aber unten und sprach nur ein Wort.
    Er sagte: »So?«
    In diesem Wort steckte so viel an unendlicher Traurigkeit, an Verachtung und Entrüstung, daß ich mich schleunigst aus dem Zimmer verdrückte. Seine Predigt über das sechste Gebot soll an diesem Abend ganz besonders eindrucksvoll gewesen sein. Ich war nicht zugegen.
    Also, zehn Monate waren wir nun verheiratet, und ebenso lange trugen wir auch an der Würde und den Pflichten des Pfarramtes. Wir hatten das Haus wohnlich und den Garten urbar gemacht. Wir waren dem schrecklichen Winter entronnen und hatten uns unbeschadet durch den Konfirmationstag gefressen. Jetzt wollten wir vor dem großen Ereignis noch ein Weilchen Urlaub machen.
    »Ganget no!« sagte die Mesnerin, »aber basset uff, daß des Kindle net uff m Roller gebore wird, des wär fei oagnehm!«
    »Ach was, Frau Rüstig! Der Doktor hat gesagt, vier Wochen werden sicher noch vergehen.«
    »Guet, wenn’s der Doktor sagt, no wird’s scho schtemme. Aber Frau Pfarrer: Der Mensch denkt, Gott lenkt!« Diesen letzten Satz sprach sie hochdeutsch und mit erhobenem Zeigefinger.
    Wir fuhren, und zwar in ein christliches Erholungsheim. Wie wir auf dieses Ferienziel gekommen sind, ist mir heute noch schleierhaft. Vielleicht fühlten wir das dringende Bedürfnis, uns zu läutern, oder wir wollten das Kind schon frühzeitig an christliche Mauern gewöhnen. Vermutlich hatte uns der billige Preis verlockt.
    Von außen sah es ganz schmuck aus, dieses christliche Erholungsheim, innen aber wirkte es ausgesprochen »schlicht«, dazu haftete ihm ein muffig-säuerlicher Kohlgeruch an, der manchen dieser Häuser eigen ist. Einen Fahrstuhl gab es nicht, dafür waren die Wände des Treppenhauses reichlich mit Bibelsprüchen geschmückt, so daß wir auf dem langen beschwerlichen Weg in den dritten Stock genug Lesestoff hatten. Es war uns aber nicht nach Lesen zumute, wir brachen unter der Last der Koffer schier zusammen. Unser Zimmer glich einer Klosterzelle für Ehepaare, klein, kalt und nur mit dem notwendigsten Mobiliar ausgestattet. Auf jedem Nachttisch lag eine Bibel.
    »Die Mönche im Mittelalter sind höchstens dreißig Jahre alt geworden! Und warum? Weil sie sich den Tod geholt haben in den kalten Zellen. Ich will ja nicht von mir sprechen, aber wenn unser Kind sich
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