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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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Universität, vergnügt und wohlbehalten. Nein, ihm wäre natürlich nichts passiert, er hätte die Nerven behalten, was man von den beiden anderen leider nicht behaupten könne.
    Also, der erste Kumpel meinte im Hof des Stiftes verdächtige Geräusche zu hören und stürzte sich vor Schreck kopfüber in das offene Klofenster. Seine Beine baumelten draußen im Leeren, seine Hände versuchten drinnen die Kloschüssel zu erreichen. Unerwartet wurde ihm Hilfe von draußen zuteil, indem nämlich der zweite Kumpel auch in das Fenster drängte und ihm deshalb einen kräftigen Stoß von hinten gab. Er fuhr mit beiden Händen in die Kloschüssel, machte einen kurzen Handstand mit Überschlag, wobei er sich an mehreren Stellen heftig anschlug und hinkte dann eilig davon, da er draußen Stimmen hörte. Dort hatte der Stiftsdiener den zweiten Kumpel bei den Füßen erwischt und zerrte den wild um sich Strampelnden wieder nach draußen. Derweil stand Manfred hinter einem Mauervorsprung und wartete geduldig, bis wieder Friede im Hof einkehrte, und der Delinquent abgeführt war. Dann schlich er leise zum Fensterchen, um in aller Ruhe einzusteigen.
    Nein, ich wollte durch kein Fenster steigen, weder vorwärts noch rückwärts! Ich wollte auch nicht draußen warten und mich von dem Hund beißen lassen! Auf legale Weise mußte ich in dieses Haus hinein, auch wenn sie uns morgen mit Schimpf und Schande hinauswerfen würden! An der Eingangstür fand sich ein Klingelknopf. Wir drückten ihn, erst zaghaft, schließlich hemmungslos. Lange rührte sich nichts. Dann endlich erschien die Hausmutter mit aufgelöstem Haar und bitterbösem Gesicht. Sie hätte ein hartes Tagewerk und bräuchte ihre Nachtruhe, sagte sie. In dieser Nacht wurde ihr nicht mehr viel Ruhe zuteil. Kurz nach Mitternacht erwachte ich, gepeinigt von unerklärlich fürchterlichen Schmerzen. Der Pfefferminztee! Ich hatte mich vergiftet! Dies war der Todeskampf! Plötzlich ließ der Schmerz nach. Ich vermochte wieder klar zu denken und wußte, was los war.
    »Manfred, wach auf! Schnell, schnell! Ich muß ins Krankenhaus! Ich habe Wehen!«
    »O Himmel! Auch das noch!«
    Er lag einen Augenblick wie erstarrt im Bett, stöhnte dann auf und sprang in die Höhe. Als ich mich das nächste Mal vor Schmerzen krümmte, war bereits die geplagte Hausmutter im Zimmer. Ihr einziges Sinnen und Trachten ging dahin, uns möglichst schnell und vor dem frohen Ereignis aus dem Haus zu bringen. Sie rief ein Taxi und flehte mich an, doch ja nichts zu überstürzen, und ihr in dieser Nacht nicht noch eine Geburt zu bescheren. Erst als ich im Taxi saß, ließ sie ab, die Hände zu ringen. »Geht mit Gott!« sagte sie salbungsvoll.
    Der Taxifahrer gab Gas. Er fegte über die Straßen und schaute sich dabei immer wieder besorgt nach mir um. Er ermahnte mich, stark zu bleiben und nicht etwa zu meinen, ein Taxi wäre der rechte Ort für eine Geburt.
    Wir erreichten das Krankenhaus in Rekordzeit. Wie strahlte der Taxifahrer, als ich sein Auto verließ. Er wurde richtig herzlich, schüttelte mir die Hand und sagte, ich sei eine vernünftige Person.
    »Das sollen Wehen sein?« fragte die Hebamme nach kurzer Untersuchung, »das ist noch gar nichts! Warten Sie mal ab, bis die richtigen Wehen kommen!«
    Nach dieser beruhigenden Erklärung fiel ich in Ohnmacht. Manfred hielt treulich bei mir aus. Von drei Uhr nachts bis um 17 Uhr am nächsten Abend. Er war eine große Anfechtung für die Diakonissen. Sie sagten das auch viele Male sehr deutlich, aber er ließ sich nicht verscheuchen. Nach wenigen Stunden schmolz die Verbitterung der Schwestern dahin. Dieser Mann machte seine Sache gut. Er zeigte keinerlei Aufregung, sprach tröstende Worte zu seiner Frau, fütterte sie und aß den Rest dann selber auf. Vor allen Dingen aber war er Pfarrer, und Pfarrer stehen bei Diakonissen hoch im Kurs.
    Ich klammerte mich an den tröstlichen Gedanken, daß schon vor mir Frauen Kinder bekommen und überlebt hatten. Ich dachte an Maria im Stall, allein mit dem alten Josef. Auf den meisten Gemälden sah sie hoheitsvoll unberührt aus, niemals so, als ob sie gerade Schreckliches durchgemacht hätte. Nun ja, sie stand auch in näherer Verbindung zum Himmel. Ich ertappte mich dabei, daß ich sie von Frau zu Frau herzinniglich anflehte, sie möge doch ein gutes Wort für mich einlegen. Ich würde im Überlebensfall ein besserer Mensch werden und vor ihr Bild auf dem Weidener Hochaltar einen Strauß Blumen stellen.
    Das habe ich
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