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Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Titel: Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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    Mit rudernden Armen kam Johannes auf die Kindergruppe zugestürmt. Sein blauer Rucksack pendelte wild hin und her. Die Baseballmütze flog in weitem Bogen von seinem Kopf. Er stolperte, wäre fast gestürzt.
    „Langsam, langsam! Was ist denn los? Ist etwa ein Dino hinter dir her?“, rief ihm Frau Walter verwundert entgegen.
    „Der Stegosaurus hat eine Frau aufgespießt“, gab Johannes völlig außer Atem zurück. Dabei warf er seinen rechten Arm mehrmals in Richtung der Dinosaurier-Ausstellung, die seit einigen Jahren im nördlichen Teil des Gartenschaugeländes beheimatet war.
    „Du mit deiner blühenden Phantasie“, entgegnete die Leiterin des Mölschbacher Kindergartens lächelnd. Dann wandte sie sich wieder dem vor ihr stehenden, blonden Lockenköpfchen zu, das offensichtlich einige Probleme mit dem Verschluss seiner Jacke hatte.
    „Ich bin mal sehr gespannt darauf, wie unser lieber Johannes in der Schule zurechtkommt“, seufzte die andere Erzieherin, während sie dem aufgeregten Sechsjährigen zur Beruhigung sanft über die glatten, kastanienbraunen Haare strich. „Die Lehrer nehmen bestimmt nicht so viel Rücksicht auf dich und deine Spinnereien wie wir beide.“
    „Da haben Sie recht“, bestätigte Frau Walter und schickte ein zustimmendes Kopfnicken auf die Reise zu ihrer Kollegin.
    „Aber es ist wirklich so: Der Stegosaurus hat mit seinen Stacheln eine Frau aufgespießt“, wiederholte der für sein Alter recht groß gewachsene Junge hechelnd, erntete damit allerdings nur schmunzelndes, stummes Kopfschütteln.
    Im Gegensatz zu den abweisenden Erwachsenen reagierten Johannes Spielkameraden jedoch sofort mit regem Interesse auf die spektakuläre Behauptung. Besonders die älteren Jungs scharten sich gleich neugierig um ihren Freund, stellten ihm ein paar kurze Fragen und machten sich anschließend mit ihm gemeinsam auf den Weg zum Dinosaurierpark.
    „Bleibt mir aber ja vom Wasser weg!“, mahnte Frau Walter. „Wir kommen gleich nach.“
    „Ich will auch mit!“, flehte die blondgelockte Kleine mit weinerlichem Gesichtsausdruck.
    „Ja, ja. Nur noch einen winzigen Augenblick, dann klappt das mit deiner Jacke. – So, siehst du, jetzt funktioniert der Reißverschluss wieder“, sagte die Leiterin, erhob sich, nahm das Mädchen an der Hand und folgte der Kindergruppe, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatte.
    Noch bevor sie die nächste Wegkehre erreichten, kamen ihnen die vorausgeeilten Jungs schon wieder entgegen. Der vorderste von ihnen rief so laut er nur konnte: „Es stimmt! Da ist eine tote Frau. Sie hat einen großen Stachel im Bauch.“
    Neugierig rannten nun alle Kleinen des Mölschbacher Kindergartens los. Auch die beiden Erzieherinnen beschleunigten ihre Schritte.
    Nach der nächsten Biegung sahen sie mit ihren eigenen, weit aufgerissenen Augen das wirklich Ungeheuerliche: Zwischen dem Barbarossawoog und dem mächtigen Felsmassiv eines ehemaligen Steinbruchs lag tatsächlich ein bekleideter weiblicher Leichnam – quer über dem Rücken einer etwa acht Meter langen Dinosaurier-Nachbildung.
    Auf der ihnen zugewandten Seite des stacheligen, ockerfarbenen Stegosaurus hingen der Kopf und die Arme der toten Frau schlaff zur Wiese hinab. Ihr Mund war von breitem, mehrfach um den unteren Kopfbereich herumgewickeltem Paketband bedeckt. Ein dicker, aus schwarzgefärbten Haaren geflochtener Zopf schwebte frei in der Luft und baumelte im leicht böigen Frühlingswind.
    Der oberer Teil des Rumpfes war etwa in Brusthöhe zwischen zwei steil aufgerichteten, circa einen halben Meter hohen Knochenplatten eingeklemmt. Der versetzt dahinter stehende, dreizackige Rückenstachel hatte die Wirbelsäule der Frau durchtrennt. Die schwarze Spitze des fächerartigen Stachels ragte in Höhe des unbedeckten Bauchnabels etwa fünfzehn Zentimeter aus der leblosen Gestalt heraus.
    Schockgefrostet starrten die beiden Erzieherinnen einige Sekunden regungslos in dieses bizarre Szenario. Erst das aufgeregte Rufen einiger Kinder riss sie aus ihrer bleiernen Apathie. Geistesgegenwärtig kramte die jüngere der beiden ein Handy aus ihrem schwarzen Sportrucksack und verständigte über die Notrufnummer die Polizei.
     
    Als die diensthabenden Beamten der Kaiserslauterer Mordkommission im Gartenschaugelände eintrafen, hatten ihre Kollegen von der Schutzpolizei den Fundort der Leiche bereits weiträumig abgesperrt und erste Zeugenbefragungen durchgeführt. Die Kriminaltechniker begannen gerade mit ihrer aufwändigen
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