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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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rumläufst, no ischs kei Wunder, wenn dir der Rücken wehtut!«
    »Mulchen, die Marie hat deweint, weil du desagt hast, ihr Schaufenster is kitschik!«
    »O Himmel, Andreas, das darfst du ihr doch nicht erzählen!«
    »Warum nich?«
    Als er drei Jahre alt war, nahm ich ihn zum ersten Mal mit in den Gottesdienst. Er wollte es unbedingt, ich hatte ihn nicht beeinflußt. Stolz marschierte er an meiner Hand in die Kirche. Kletterte neben mir auf die Bank, blätterte im Gesangbuch, schlug es irgendwo auf und sang laut mit. Die meisten Lieder waren ihm bekannt. Der Kirchenchor übte im Räumle, der Mädchenkreis sang, oben im Bett hörte er alles mit an.
    Während der Predigt rutschte er gelangweilt hin und her.
    »Wann isch’s aus?« fragte er immer wieder, erst laut und deutlich, nach einem Stubs von mir nur noch in eindringlichem Flüstern. Als endlich das »Amen« ertönte, und Manfred die Kanzel verließ, verabschiedete ihn sein Sohn mit dem Jubelschrei: »Dott sei Dank!«
    Nach der Kirche äußerte er sich aber sehr begeistert. Doch, es hätte ihm gefallen und nächstes Mal wolle er wieder mit. »Da wird die Rosa und die Marie aber traurig sein!«
    »Des macht nix, zu dene geh ich nachher nüber!«
    Ich durchforschte mein Gewissen. Hatte ich ihn vielleicht doch beeinflußt? Natürlich freute ich mich, wenn er mitkam, wenn beim Einmarsch in die Kirche seine Hand vertrauensvoll in meiner lag, wenn die Augen der Gemeinde wohlwollend auf dem kleinen Pfarrersbub ruhten. Ähnlich mochte es meiner Mutter ergangen sein.
    Zwei Jahre nach dem ersten Sohn folgte der zweite. Auch Mathias erschien drei Wochen zu früh auf der Welt — nach der Berechnung des Arztes. Wieder gab es Ernährungsprobleme, Tränen und gute Ratschläge.
    Rosa und Marie nahmen auch diesen Pfarrerssohn unter ihre schützenden Fittiche, mußten allerdings feststellen, daß er »a bös Buale« sei, wenig geneigt, Kunststücke zu erlernen und Geheimnisse auszuplaudern, aber stets darauf erpicht, ihre Wohnung zu demolieren und ihre Hühner zu jagen. Auch Mathias wollte wie sein Bruder den Gottesdienst besuchen.
    »Oh, Frau Pfarrer, des ka net gut gange!« warnte die Rosa. Marie seufzte bekümmert: »Mir kennet en scho, aber was werdet d’ Leit sage?«
    »Er will halt so gern. Ich versuch’s mal.«
    Also schritt ich am Sonntag stolz in die Kirche, an jeder Hand einen Sohn. Der Stolz verging mir schnell. Schon beim Eingangslied rutschte Mathias von der Bank, ließ sich nicht halten und wanderte den Mittelgang entlang, um nach Bekannten zu suchen. Er fand denn auch bald zwei. Da saßen die Rosa und die Marie, beide schwarzgewandet, beide mit sorgenvollen Gesichtern. Er stürzte freudig auf sie zu.
    »Rosa hasch a Schoklädle? Marie, hasch a Gutsle?«
    »Ja, aber hock na!«
    Sie klemmten ihn zwischen sich und stopften ihm Schokolade in den Mund. Er blieb sitzen, bis alles verschlungen war, gab jeder Schwester einen schmatzenden Kuß, riß sich los und wanderte weiter.
    Die Mesnerin lockte mit einem Hustenbonbon. »Psch, Mathias, komm her!«
    Er lief zu ihr hinüber. »Frieda, bisch auch da? Du, warum hasch du son wüschten Hut aufm Kopf?«
    Sie steckte ihm schnell das Gutsei zwischen die Zähne und wollte ihn auf den Schoß ziehen, er aber hatte inzwischen die Schwester Lina gesichtet.
    »Lina, wart, i komm, Hasch was? Du singsch aber arg laut!«
    Andreas versteckte sich schamrot unter der Bank. »O Mulchen, wie der sich benimmt!«
    Ich versuchte, den Ausreißer durch Blicke heranzulocken, er reagierte nicht. Manfred warf zornige Blicke von der Kanzel hinunter auf seinen Sohn. Die Andacht der Gottesdienstbesucher war empfindlich gestört. Mitten hinein in die Predigt sprach Mathias die Worte »I geh!« und hängte sich an die Klinke, um das Kirchentor aufzubringen. Ich lief hinterher. Andreas packte unsere beiden Gesangbücher, erhob sich auch und wandelte würdevoll durch den Mittelgang der Tür zu. Draußen aber stürzte er sich wutschnaubend auf seinen Bruder. »Du Kerl, mit dir ist man vielleicht blamiert!«
    Sie stritten sich im Haus, sie stritten sich im Garten, vor den Blicken der entsetzten Gemeinde.
    »Guck no, Karl, wie die Pfarrersbuba mitenander zerfet!«
    »Hörsch, wie se wieder schreiet!«
    »Also, so hent onsre nie gschtritte! Un des sollet Pfarrerskender sei!«
    Die Schwierigkeit lag darin, daß ihr Zanken weithin vernehmbar über die Straße gellte, ihr friedliches Spiel aber nicht weiter auffiel.
    Sie saßen im Sandkasten, Andreas, Mathias,
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