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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung
Autoren: Andreas Eschbach
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am Ende der Terrasse, wo der gemauerte Gartengrill stand. Ein hohes, unruhiges Feuer loderte darauf; Papierfeuer. Mutter hatte ihre Bilder stapelweise herausgetragen, riss sie in Stücke und fütterte die Flammen damit.
    »Willst du nicht wenigstens ein paar davon behalten?«, fragte Wolfgang. »Die guten?«
    »Es ist kein gutes dabei«, erwiderte Mutter und zerriss das nächste Blatt.
    Die flimmernde Hitze trug kleine, schwarze Ascheflöckchen davon, hinauf in den spätsommerlichen Himmel. Die Sommerferien neigten sich ihrem Ende zu. Die Hysterie in den Medien war längst wieder vorbei, neue Themen beherrschten die Nachrichten, neue Sensationen die Schlagzeilen. Dass es einen geklonten Menschen gab, würde man zwar nie völlig vergessen, aber irgendwie hatte sich dieser Sachverhalt doch als wesentlich langweiliger herausgestellt, als man zuvor gedacht hatte.
    Dass Wolfgang Wedeberg dieser geklonte Mensch war, würde ihn allerdings zweifellos zeitlebens in der einen oder anderen Weise verfolgen. Es war damit zu rechnen, dass sich altersbedingte Krankheiten bei ihm wesentlich früher zeigen würden als normal, und auch andere Spätschäden, an die jetzt noch niemand dachte, waren nicht auszuschließen. Wenn er einmal selber Kinder haben würde, würden sich vermutlich nicht nur die Medien, sondern auch Mediziner dafür interessieren. Und ganz bestimmt würde er eine Reihe von dummen Fragen ungefähr eine Million Mal in seinem Leben gestellt bekommen – am besten fing er schon mal damit an, sich passende Antworten dafür zurechtzulegen.
    Vater saß seit seiner Verhaftung im Gefängnis. Er war nach Freudenstadt überführt worden, wo ihm voraussichtlich im Herbst der Prozess gemacht werden würde.
    »Ich bin mitschuldig«, sagte Wolfgangs Mutter. »Ich habe gewusst, was wir in Kuba vorhatten. Ich habe mitgemacht. Und ich habe nicht gefragt, woher dein Vater die Zellprobe hatte. Ich habe mir gesagt, er wird bei irgendeiner der Gelegenheiten, bei denen er Johannes untersucht hat, eine Probe genommen und aufbewahrt haben, zu irgendeinem Zweck. Aber ich habe nicht danach gefragt. Ich wollte es gar nicht wissen.«
    Wolfgang fühlte sich hilflos. »Dr. Lamprecht hat gesagt, du bekommst höchstens eine Bewährungsstrafe.« Es klang fade, aber er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
    Mutter warf das letzte Stück Aquarellpapier ins Feuer, sah noch einmal die Mappen durch, um sicherzugehen, dass sie nichts übersehen hatte, und ließ sich dann erschöpft neben Wolfgang auf die Sitzbank sinken. »Ich habe jedenfalls mit den Maitlands gesprochen. Falls ich ins Gefängnis kommen sollte, könntest du dort wohnen.«
    »Oh«, machte Wolfgang. Er musste unwillkürlich lächeln. »Das ist ja beinahe verführerisch.«
    Mutter lächelte nicht. Sie betrachtete das Haus. »Ich denke, wir werden es verkaufen, so oder so. Es muss alles neu anfangen.« Sie sah zu Wolfgang hin, streckte die Hand aus, als wolle sie seine fassen, ließ sie aber auf halber Strecke sinken. »Ich habe mitgemacht, weil ich Johannes wiederhaben wollte. Was in den Zeitungen gestanden hat – dass Vater mich gezwungen haben soll und so weiter –, das ist nicht wahr. Ich wollte meinen Sohn zurück. Dafür habe ich alles auf mich genommen.«
    Wolfgang sah sie beklommen an, wusste nicht, was er sagen sollte. Konnte man darauf überhaupt etwas sagen?
    »Ich war es ja, die die Schmerzen hatte. Die die Übelkeit ertragen musste nach den Hormonbehandlungen. Die Nebenwirkungen der anderen Medikamente. Die zwei Fehlgeburten, bis es endlich klappte. Die beiden Männer haben Tag und Nacht gearbeitet an ihren Mikroskopen und Zentrifugen und all den Laborgeräten, aber mein Körper war letztlich das Feld, auf dem alles ausgetragen wurde.« Sie schwieg, sah ins Leere, hing Erinnerungen nach, die bestimmt nicht angenehm waren. Endlich schaute sie Wolfgang an, und nun ergriff sie doch seine Hand. »Aber nach der Geburt, gleich in dem Moment, als du nackt und blutig auf meinem Bauch gelegen bist, wusste ich, dass es nicht funktioniert hat. Dass du nicht Johannes bist, sondern jemand ganz anderer, jemand ganz eigener. Und so traurig ich war, Johannes verloren zu haben, so froh war ich, dich zu haben. Dich, Wolfgang.« Ihre Augen waren feucht. Sie sah ihn an, bittend um Verzeihung. »Das wollte ich dir sagen. Damit du es weißt, egal, was geschieht.«
    Wolfgang spürte einen gewaltigen Kloß in seiner Kehle, aber zugleich war ihm, als löse sich in diesem Augenblick alles, was ihn
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