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Titel: B00DJ0I366 EBOK
Autoren: Friederike Schmöe
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1
    »Kaum zu glauben, dass deine Mutter schon 60 wird«, sagt Luna. Sie sitzen im Schneidersitz auf dem Teppich und wühlen in den Fotokisten, die Sam bei Blanca abgeholt hat.
    »Ja, sie wirkt jünger«, bestätigt Sam, obwohl ihr das Wort ›jung‹ unpassend vorkommt.
    »Die berühmte Victoria May. Als ich dich kennenlernte, war ich total von den Socken, dass du ihre Tochter bist.«
    Sam lacht. Luna ist leicht von großen Namen zu beeindrucken. »Die Tochter steht lebenslang im Schatten der Mutter«, sagt sie theatralisch.
    »He, so war das nicht gemeint!«
    »Weiß ich doch!«
    Die Bewunderung anderer für ihre Mutter geht Sam mitunter gegen den Strich. Nicht, dass sie neidisch wäre. Sam hat nie eine Künstlerkarriere angestrebt. Sie fühlt sich nicht stark genug, nur von ihrer Kreativität zu leben. Sie mag auch das Handwerkliche. Das Bodenständige. ›Das hast du von deinem Vater‹, hört sie Victorias Stimme.
    Jetzt bloß nicht über die Familie nachdenken. Sam hat sich einzig und allein bereit erklärt, die Ausstellung zu Victorias Geburtstag vorzubereiten. Sie ist gottfroh, dass Luna mitmacht. Sie beide haben sich im Studium kennengelernt. Textildesign. Luna macht sich gerade mit einem eigenen Atelier selbständig. Liegt Sam damit in den Ohren, sich anzuschließen, aber Sam arbeitet für ein anderes Label.
    »Schau mal!« Sie zieht wahllos ein paar Fotos aus einer Kiste. »Was wir damals anhatten – scheußlich, oder?«
    Luna ist kurzsichtig. Sie streicht sich die kurzen, roten Strähnen hinter die Ohren und zwickt die Lider zu Schlitzen zusammen. »Nicht mehr der allerneueste Schrei. Aber man könnte was draus machen. Ich sag’s ja: die dumpfen, spießigen 80er Jahre.«
    »Wir sind echte Kinder dieser 80er«, wendet Sam ein. Sie liebt die Kabbeleien mit Luna. »Mach uns nicht runter. Spießer, wir beide?«
    Sie sehen einander an und lachen.
    »Ich dachte, spätestens mit 25 bin ich nicht mehr zu retten«, erläutert Luna ernsthaft.
    »Das dachtest du, als du 15 warst.«
    »Jetzt bin ich 30! Schande! Kannst du dir vorstellen, Luna Meier ist 30?« Luna schüttelt den Kopf so heftig, dass ihre Ohrhänger, riesige mit Türkissplittern besetzte Ovale, wild schaukeln.
    »Du siehst aus wie 29, also mach dir nichts draus.« Sam rührt in der Fotokiste. Sie brauchen erstmal genug Material, aus dem sie später auswählen. Sam hat das noch nie gemacht: eine Ausstellung vorbereitet. In der Familie ist sie die Einzige, die dazu imstande ist. Das jedenfalls hat ihr Vater ihr anvertraut. »Im Ernst«, hat er geseufzt, »denkst du, deine Brüder wollen sich an einer Jubiläumsausstellung für ihre Mutter beteiligen?«
    Warum eigentlich nicht meine Brüder, denkt Sam jetzt. Okay, Igor wohnt weiter weg, und Nikolaj hat sich gerade selbständig gemacht. Aber ich habe auch einen Job! Letztlich hatte einfach niemand Lust, diese Aufgabe zu übernehmen. Nur Sam, stets hilfsbereit und pflichtbewusst, hat sich bereiterklärt.
    Zum Glück ist Luna mit von der Partie. Luna, das kreative Enfant terrible aus der Coburger Szene. Obwohl sie gar nicht von hier stammt. Aus Schleswig-Holstein in den Süden geplumpst, weil sie an der FH studierte, und dann geblieben. Sam lächelt. Tatsächlich hat sie Luna kennengelernt, als sie Victoria zu einem Vortrag in der Fachhochschule begleitete, und da saß auch Luna im Publikum. Bunt wie ein Kakadu, mit ihren selbstgeschneiderten Klamotten und den frech geschnittenen roten Haaren.
    Jetzt hocken sie auf dem Teppich in Sams kleiner Zweizimmerwohnung in der Coburger Innenstadt. Frühlingsluft strömt durch die offenen Fenster herein. Ab und zu hört man Leute die Straße entlanggehen oder ein Auto im Schritttempo nach einem Parkplatz suchen.
    Außer Victorias Gemälden wollen sie ein paar Familienfotos zeigen, aus Victorias Jugendjahren, Bilder von ihren Reisen nach Griechenland, Italien und Südamerika, wo sie sich Inspiration holte. Sam denkt gern an diese Zeit zurück, als sie bei ihrer Großmutter Blanca bleiben durfte, wochenlang ohne mütterliche Kritik. Sie hat überlegt, vielleicht eine von Blancas frühen Skulpturen mit auszustellen, aber natürlich wird die Schau ganz auf Victorias Lebenswerk fokussiert sein. Sam hat im Kopf längst die Meilensteine zusammengestellt, die die Künstlerinnenkarriere ihrer Mutter ausmachen. Sie braucht nur noch eine zündende Idee, was die Darstellung betrifft. Eigentlich schwebt ihr eine Videoinstallation vor, die den Besuchern, begleitet von Musik und
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