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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung
Autoren: Andreas Eschbach
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geschehen. Ich kann mich gar nicht erinnern, was er dirigiert hat. Ich weiß nur noch, dass ich ihn die ganze Zeit angesehen habe – wie er das Orchester führte, wie er es anfeuerte und aufstachelte, es wieder beruhigte und dämpfte, wie aus jeder Bewegung seiner Hände und seines Stocks Musik entstand, die wunderbarste Musik der Welt. Und ich war begabt, stell dir das mal vor. Mein Musiklehrer hat mich gefördert. Er wollte mich sogar für ein Stipendium vorschlagen.«
     
    Mit einer Bewegung, die so plötzlich kam wie eine Expl o sion, hieb er donnernd gegen einen der Kühlschränke und schrie: »Aber alle verdammten Wedebergs mussten ja VERDAMMTE MEDIZINER werden!« Gurgelnd holte er Luft, schlug noch einmal gegen das schimmernde Metall, dass es nur so dröhnte. »In Blut und Eiter wühlen, anstatt mit Musik den Himmel auf die Erde zu holen!« Er ballte die Faust. »Ich habe mich fügen müssen, aber dabei habe ich mir geschworen, bei Gott, heilige Eide habe ich geleistet, dass meine Kinder einmal ihre gottgegebenen Talente würden entfalten dürfen… ihre gottgegebenen Talente…«
     
    Da, endlich, brach die Verzweiflung eines ganzen Lebens aus ihm heraus. Hilflos schluchzend sank er über der spiegelnden Abdeckung des Tiefkühlers zusammen.
    Kommissar Nolting trat näher, zückte ein glänzendes Paar Handschellen.
    »Kommen Sie, Herr Wedeberg«, sagte er. »Es ist vorbei.«
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    Kapitel 17
     
    Um den Nachstellungen der Presse zu entgehen, die sich höchst aufgeregt auf den Fall Wedeberg stürzte, verbrachten Svenja und Wolfgang den Rest der Pfingstferien bei Johannes und seiner Frau Violetta, die in einem abgeschiedenen Ort in der Nähe von Rom ein kleines Häuschen besaßen. Den Reportern zu entgehen, war nicht leicht. Schon als Dr. Wedeberg abgeführt wurde, tauchten die ersten Fotografen vor dem Gebäude des Instituts auf. Die Polizisten boten ihm an, sein Gesicht zu verhüllen, doch das lehnte er ab. Mit steinerner Miene und aufrecht stieg er in den wartenden Wagen, unter Blitzlichtgewitter wie ein zwar gestürzter, aber uneinsichtiger Diktator.
     
    Aber Johannes kannte die Tricks. Sie entkamen den heraneilenden Kameras und Mikrofonen durch einen unbeachteten Hinterausgang und fuhren mit seinem vorausschauenderweise abseits geparkten Auto unbemerkt davon. Unbemerkt langten sie beim Haus der Francks an, wo sie sich rasch verabschiedeten und ihre Sachen packen konnten, einschließlich des Cellos. Es ging aus Berlin hinaus, zu einem kleinen Flugplatz bei Trebbin, wo Johannes eine viersitzige Sportmaschine samt Pilot charterte, die sie nach Italien bringen sollte.
    »Kann man während des Fluges mit dem Handy telefonieren?«, fragte Svenja den Piloten kurz vor dem Start.
    Der nickte. »Bei den kleinen Maschinen ist das kein Problem. Warum?«
    »Ich sollte meinen Eltern Bescheid sagen.«
    »Mach's doch gleich. Es dauert noch ein paar Minuten, bis wir starten.«
    Svenja grinste spitzbübisch. »Ich ruf lieber erst an, wenn wir in der Luft sind. Dann müssen sie's mir erlauben.«
    Der Flug war herrlich und verlief ohne die geringsten Probleme. Während sie die Alpen überquerten, fragte Wolfgang, dem fast die Ohren abgefallen waren, als er Johannes und den Piloten über den Preis dieses Fluges verhandeln gehört hatte: »Kannst du dir das denn leisten?«
    »Das sind Spesen«, lächelte Johannes nur. »Die wird irgendeine Zeitung mit Handkuss bezahlen, um die Geschichte unserer Flucht drucken zu dürfen.«
    Violetta war eine schöne, schlanke Frau mit auffallend hellen Augen und einem ansteckenden Lachen. Sie erwartete sie auf dem Flughafen bei Rom, küsste ihren Mann leidenschaftlich und begrüßte dann Wolfgang und Svenja, die Johannes mit den Worten vorstellte: »Mein jüngerer Zwillingsbruder und seine Freundin.« Wie sich herausstellte, sprach sie recht gut Deutsch, was sie dem Umstand verdankte, ein paar Jahre in einem Hotel im Tessin gearbeitet zu haben.
    Das Haus war entzückend, der Ort eine Oase des Friedens, der Himmel von strahlendem Azurblau und das Meer nicht weit. Urlaub. Welche Aufregung jenseits der Alpen herrschte und welchem Tumult sie entgangen waren, bekamen sie nur mit, wenn sie abends das Satellitenfernsehen einschalteten.
    Johannes erzählte, wie alles angefangen hatte. Als Frascuelo Aznar mit seinem Geständnis an die Öffentlichkeit getreten war und die ersten Listen mit Namen von Wissenschaftlern, die er getroffen haben konnte, kursierten, war ihm rasch klar geworden, wer
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