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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung
Autoren: Andreas Eschbach
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ein Ziffernblock prangte.
    »Siehst du?«, meinte Svenja. »Es ist abgeschlossen. Wie ich gesagt habe.«
    »Ja«, sagte Wolfgang.
    »Man muss die richtige Codenummer wissen, sonst kommt man nicht weiter.«
    »Lass uns trotzdem mal hingehen.«
    Sie durchquerten den Gang, der ihre Schritte schluckte, und stellten fest, dass die Tür keineswegs abgeschlossen war. Nur angelehnt. Sie zogen sie behutsam auf. Dahinter war ein Raum, der nur von einem Computerbildschirm auf einer Art Empfangstheke erleuchtet wurde. Es gab Ablagekästen für Formulare und ein Regal mit zylindrischen Metallbehältern in verschiedenen Größen, daneben ein Waschbecken, in dem einige solcher Behälter standen, mit Wasser gefüllt und schlampig aufgesetzten Deckeln. Auf der gegenüberliegenden Seite war eine zweite weiße Metalltür, aber ohne Ziffernblock.
    »Jemand ist vor kurzem hier gewesen«, wisperte Svenja.
    »Wie kommst du darauf?«, flüsterte Wolfgang zurück. »Vielleicht ist der Computer immer an.«
    »Ja. Aber dann würde ein Bildschirmschoner laufen.«
     
    Genau. Ein heißer Schreck durchzuckte ihn, ein übermäc h tiger Impuls, umzukehren und davonzulaufen. Doch anstatt diesem Impuls nachzugeben, ging er auf den Bildschirm zu und studierte ihn. Ein altmodisch aussehendes Programm, das auf den ersten Blick jenem ähnelte, mit dem die Stadtbücherei von Schirntal ihre Bestände verwaltete, zeigte zweifellos den Datenbankeintrag von irgendetwas, das in diesen Kühlräumen aufbewahrt wurde, aber Wolfgang verstand schlichtweg kein einziges der Worte, die da standen, bis auf einen Eintrag, der Flüssigstickstoff lautete.
     
    »Wir sollten umkehren«, schlug Svenja vor.
     
    »Ja«, sagte Wolfgang, ohne sich vom Fleck zu rühren. Am unteren Rand des Datenbankformulars, in einem Feld mit der Beschriftung ANGELEGT AM: war ein Datum eingetragen, das ungefähr anderthalb Jahre vor Wolfgangs Geburt lag, und dahinter, nach dem Vermerk VON:, stand das Kürzel RWed.
     
    »Richard Wedeberg«, flüsterte Wolfgang. Er deutete darauf. »Das war das Namenszeichen meines Vaters. Ich habe es einmal auf einem alten Brief von ihm gesehen.«
    Svenja riss die Augen auf. »Und was tut das hier?«
    »Keine Ahnung.« Wolfgang starrte die vier Buchstaben auf dem Bildschirm an. Doch. Er ahnte es. Sein Blick wanderte zu der Tür auf der anderen Seite des Raumes wie magisch von ihr angezogen.
    »Oh nein«, flüsterte Svenja. »Ich setze keinen Schritt durch diese Tür.« Als er nichts erwiderte, fügte sie hinzu: »Du kannst natürlich machen, was du willst, aber ich gehe jetzt und verständige den Kommissar.«
    »Gute Idee«, nickte er. »Ich komme gleich nach.«
    Sie gab einen erstickten Laut von sich. »Wolfgang!?«
    Er sah sie an. »Hol die Polizei her. So schnell wie möglich.«
    »Und du?«
    »Mir passiert schon nichts.«
    Svenja presste die Lippen zusammen. »Wehe, wenn doch«, sagte sie schließlich kläglich. »Wenn du… dich erschießen lässt, red ich kein Wort mehr mit dir!«
    Er musste unwillkürlich lächeln. »Mach schnell.«
    Einen Kuss zum Abschied oder so hätte er passend gefunden, aber Svenja drehte sich nur um und eilte hinaus in den Quergang. Ein Augenblick nur, und nichts war mehr zu hören außer dem Lüftergeräusch des Computers.
    Er konnte natürlich einfach hier warten. Einen Stuhl unter die Klinke der anderen Tür klemmen und sich für alles andere, den zweiten Ausgang aus dem Kühlraum beispielsweise, nicht zuständig fühlen.
    Theoretisch.
    Wolfgang holte tief Luft, betrachtete die Tür. Trat vor sie hin und umfasste die Klinke, hartes schwarzes Plastik. Das sich geräuschlos hinabdrücken ließ. Licht schimmerte durch von der anderen Seite.
    Er zog die Tür gerade weit genug auf, um hindurchspähen zu können. Er sah einen sauber gekachelten Boden, gekachelte Wände, zahllose grellweiße Leuchtstoffröhren, die den Raum von vorne nach hinten durchliefen, und darunter Reihen glänzender Geräte, die aussahen wie überdimensionale Aktenschränke aus blankem Edelstahl. Die allumfassende Helligkeit schmerzte in den Augen und ließ alles so unwirklich aussehen, als werfe er einen Blick in einen technischen Himmel.
    Ein fauchendes Zischen erklang, kurz darauf gefolgt von einem dumpfen, metallischen Aufschlag. Schwere Schritte schabten über den Boden. Wieder das Zischgeräusch, laut und unheilverkündend. Wolfgang öffnete die Tür ein Stück weiter und schob sich hindurch.
    Es war sein Vater, der vor einem der Kühlbehälter stand und
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