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Töte, Bajazzo

Töte, Bajazzo

Titel: Töte, Bajazzo
Autoren: Jason Dark
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Finsternis lag wie Pech über der Bühne. Hinzu kam die Stille, die so aufdringlich wirkte, als sollte sie nie wieder von der Bühne verschwinden.
    Sie lag zwischen dem Jetzt und dem Schluß der letzten Vorstellung, die mit einem Bühnenmord beendet worden war.
    Alle Mitwirkenden waren gegangen. Die Solisten, die Mitglieder des Chors, die Mitarbeiter des technischen Personals und natürlich auch die Zuschauer.
    Schweigen – tief und bedrückend.
    Schwärze – lichtlos, dicht wie Samt.
    Normal – oder?
    Zumindest bis der Fleck erschien!
    Er war nicht groß, nur ein Ausschnitt in der Dunkelheit, einem faserigen Lappen gleich, der nicht auf einer Stelle blieb. Er wanderte, er schwebte, er tanzte, ohne dabei einen Laut abzugeben.
    Die fahle Lichtinsel irrte durch die Finsternis. Ein gespenstischer Tanz über dem Bühnenboden. Und die Insel wurde heller und nahm Gestalt an, auch wenn sie nur ein Fleck blieb.
    Ungefähr dort, wo sich die Mitte der Bühne befand, war er zur Ruhe gekommen. Dann wanderte er langsam, sehr langsam nach vorn, der Rampe entgegen. Je näher er kam, um so mehr veränderte er sich.
    Plötzlich zeigte er Konturen auch in seinem Innern.
    Aus dem flachen geisterhaften Gegenstand kristallisierte sich ein Gesicht hervor. Dabei nahm es nicht die Farbe der normalen Haut an, es blieb bleich.
    Dicht vor der Rampe blieb der Schatten stehen. Noch schaute er starr geradeaus, dann aber bewegte sich das Gesicht nach vorn, und zwar in einer Haltung, als wäre ein Künstler dabei, sich vor einem Publikum zu verbeugen.
    Licht, Beifall, Menschen, die sich von ihren Sitzen erhoben hatten und stehend Applaus spendeten. Ein herrliches Gefühl für einen Künstler, der dieses Geräusch aufsaugte wie einen zweiten Atem und sich darüber freute. Er schwebte auf den Wogen des Beifalls, und seine Erschöpfung verwandelte sich in Euphorie.
    Träume für das Gesicht, es verzog sich zu einem breiten Lächeln.
    Die Augenbrauen, die in einem scharfen Kontrast zu dem bleichen Gesicht standen, bildeten plötzlich ein Wellenmuster. Der untere Teil des Gesichts wirkte im selben Augenblick dunkel.
    Es war vorbei!
    Urplötzlich gab es keinen Beifall mehr, keinen rauschenden Applaus, der Vorhang fiel, die Zuschauer gingen, und das Gesicht veränderte seinen Ausdruck.
    Kein Gefühl des Glücks mehr, tiefe Trauer und Betroffenheit zeichneten die Züge.
    Das Zucken der Haut, die Qual in den dunklen Augen, das unkontrollierte Zwinkern, als versuchte das Gesicht, die Tränen zurückzuhalten.
    Es war nicht mehr zu schaffen.
    An den unteren Augenrändern entstanden die ersten Tränen. Schwarze Perlen, die langsam an den Wangen entlangrannen und dabei graue Striche hinterließen.
    Rechts und links der Mundwinkel liefen sie weiter, als wären sie dabei, dem bleichen Gesicht eine bestimmte Schminke aufzusetzen. Weinen und Trauer, der Schatten durchlebte alles, und er hatte seinen Mund weit geöffnet.
    Kein Schrei verließ die Kehle. Nur die Haut um den Mund herum zuckte, was anschließend vom dunklen Bart aufgefangen wurde.
    Es war vorbei. Aus.
    Und das Gesicht verzerrte sich. Die Tränen waren verschwunden. Ein anderer Ausdruck hatte die Kontrolle übernommen. Bösartigkeit, Haß!
    Als wäre beides von der Hölle selbst entflammt worden. Der Beifall war nur mehr Erinnerung, all die lachenden Gesichter verschwunden.
    Eines aber blieb. Der Haß!
    ***
    Zum erstenmal hatte Mirella Dalera das weiße Gesicht in Rom gesehen.
    Damals, nach der Vorstellung, es war noch so herrlich warm gewesen, und sie hatte mit Freunden nahe der Spanischen Treppe im Freien gesessen und den Erfolg des Gastspiels gefeiert, da war das Gesicht plötzlich in ihrer Nähe erschienen.
    Einfach so, wie aus dem Nichts.
    Es hatte sie angeschaut, ohne von den anderen wahrgenommen worden zu sein, auch wenn Mirella versucht hatte, sie aufmerksam zu machen.
    Die Freunde und Kollegen hatten sie nur erstaunt angeschaut und gelacht.
    Das Gesicht war auch bald verschwunden, nicht aber in der Erinnerung der Sängerin. Immer wieder hatte sie daran denken müssen, besonders an diesem bewußten Abend, und sie hatte sich von den Freunden sehr früh verabschiedet, war in ihrem Hotelzimmer verschwunden, hatte sich dort auf das Bett gelegt und darüber nachgedacht, ob dieser Schatten nun erschienen war oder nur in ihrer Einbildung bestand.
    Sie wußte es nicht. Sosehr sie auch überlegt hatte, zu einem Ergebnis war sie nicht gekommen. Es gab einfach keine Erklärung für diese Tatsache oder
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