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Töte, Bajazzo

Töte, Bajazzo

Titel: Töte, Bajazzo
Autoren: Jason Dark
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entdeckte sie ein Gebilde, das es eigentlich nicht geben durfte.
    Der Schreck saß tief, denn Mirella hatte erkannt, um was es sich handelte.
    Es war das Gesicht!
    ***
    Die Sängerin blieb sitzen, ohne sich überhaupt nur zu rühren. Sie hatte das Gefühl der eingefrorenen Gesichtszüge, sie war nicht zu Eis geworden, aber durch ihren Körper lief der eisige Strom, der nur durch eine gewisse Angst ausgelöst werden konnte.
    Noch immer saß sie in der Bar, zugleich kam sie sich vor, als hätte man sie aus diesem Raum fortgetragen und in die Scheinwelt der Bühne gestellt, die nichts mit der Realität zu tun hatte.
    Warum war das Gesicht erschienen?
    Diese bleiche Maske, die auf die Bühne gepaßt hätte, aber in der Wirklichkeit nichts verloren hatte.
    Mirella konnte nicht erkennen, wie tief sich das Gesicht in den Spiegel hineingedrückt hatte. Der Begriff Tiefe zerfloß sowieso in ihrem Kopf, denn damit konnte sie nichts anfangen. Es war einfach da, und es wirkte so leblos wie eine Maske.
    Umgeben von schwarzen Haaren, an den beiden Rändern und in der unteren Hälfte durch einen dunklen Bart gekennzeichnet, versehen mit sehr dunklen Augenbrauen, die wie erstarrte Wellen dort lagen, wo die Stirn begann, mit einem Mund, der offenstand, und einem Blick, der sich nur auf sie konzentrierte. Augen, die sich nicht bewegten, plötzlich aber anfingen zu zucken und aussahen, als würden sie aufquellen und sich mit schwarzer Tinte füllen, die Überhand nahm und von den Augenhöhlen nicht mehr erfaßt werden konnte. Erste Tropfen rannen hervor.
    Tropfen wie Blut…
    Aber es war kein Blut, denn Blut hätte rot ausgesehen und nicht so tief schwarz.
    Ein Gesicht, das weinte, das seine Starrheit verlor und in Trauer zuckte.
    Der Dalera kam es vor, als würde ihr eine kalte Hand ständig über den Rücken fahren. Die Kaschmir-Wolle wärmte auch nicht mehr.
    Die Dalera hatte Angst. Es war bereits die zweite Begegnung mit dem Gesicht. Bei der ersten hatte sie noch an eine Täuschung geglaubt, an eine Explosion der überreizten Nerven, diesmal allerdings wollte sie nicht daran glauben. Heute war alles anders. Das konnte nicht normal sein, es mußte einfach etwas zu bedeuten haben.
    Das Gesicht blieb.
    So genau und scharf, als wäre es aus dieser Spiegelfläche herausgeschnitten worden. Und noch immer rannen Tränen aus den Augen und liefen in grauschwarzen Streifen über die Wangen zum Mund. Sie versickerten in dem schwarzen Bart, und dabei zuckten die Lippen.
    Der Sängerin kam es so vor, als wollte ihr der Mund eine Botschaft übermitteln, die jedoch lautlos blieb.
    Angst krallte sich in ihrem Innern fest. Man tat ihr nichts Böses, doch sie spürte, daß dieses Gesicht etwas Böses ausstrahlte.
    Es war da.
    Es hatte sich verzerrt. Der Haß wurde plötzlich zu seinem Partner. Er ließ sich nicht aufhalten, kein Gefängnis schnürte ihn ein, er strömte ihr aus dem Spiegel entgegen.
    Haß, kalter Haß.
    Tod!
    Und plötzlich zerplatzte das Gesicht im Spiegel. Eine dunkelrote Wolke aus Blut überschwemmte alles.
    Mirella Dalera schrie auf. Sie zuckte vom Barhocker in die Höhe und sank einen Moment später auf ihm zusammen. Mit einer unkontrollierten Handbewegung fegte sie ihr Bierglas von der Theke. Sie hörte noch das Klirren, als es zerbrach, dann sackte sie hinein in den dunklen Nebel…
    ***
    Als Mirella Dalera wieder zu sich kam und die flatternden Augen aufschlug, wußte sie im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Sie hörte eine beruhigende Männerstimme, die vor ihr aufklang, aber hinter einer Wolke aus Dunst oder Nebel verschwunden war. Sie verstand auch nicht, was gesagt wurde, erst nach einer Weile lichtete sich der Nebel, so daß sie mehr erkennen konnte.
    Jetzt wußte sie auch, wer da gesprochen hatte. Es war der blonde Mann gewesen, der ebenfalls an der Bar gesessen hatte. Und sie ärgerte sich im selben Moment, daß sie bewußtlos geworden war und sich so hatte gehen lassen.
    »Prego, Signora, möchten Sie, daß wir einen Arzt holen?« Die Worte klangen besorgt, aber bei Mirella erreichten sie das glatte Gegenteil. Sie putschten sie auf.
    »Nein, keinen Arzt!«
    »Es wäre besser, wenn Sie…«
    »Bitte nicht.« Sie setzte sich hin. Dabei stellte sie fest, daß sie noch immer auf dem Hocker saß, und sie warf auch einen Blick in den Spiegel.
    Es war alles normal. Es zeigte sich kein Gesicht dort, sie sah auch kein Blut, und dieser Gedanke erinnerte sie wieder an die letzten Augenblicke kurz vor dem Schwindel.
    Da
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