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Pausen tun uns gar nicht gut

Pausen tun uns gar nicht gut

Titel: Pausen tun uns gar nicht gut
Autoren: Bennecke,Jürgen
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und finden in der privaten Albergue
touristico el canataro für 10,- € pro Rucksack einen Platz für heute Nacht. Die
Herberge ist eine der schönsten und saubersten, die wir bisher erlebt haben. Zum
Zimmer gehören noch eine voll eingerichtete Küche und zwei Bäder, Als wir
unseren Schlafraum betreten, erwartet uns Klaus als bisher einziger
Mitbewohner. Beim Abendessen sitzen wir an einem Tisch mit Klaus, Wolfgang und
Angelika, einer Radpilgerin aus Hamburg , einem pensionierten
Bundeswehroffizier und seiner inzwischen vierten Ehefrau. Ein wirklich ulkiges
Pärchen, das uns den Abend mit ungewollt lustigen Geschichten versüßt. Er trägt
lange graue Haare, die er zu einem Zopf gebunden hat und wirkt äußerlich
wenigstens 20 Jahre alter als seine Frau. Weil der Kaffee in Spanien einfach
ungenießbar ist, schleppt er außer einer Kaffeemaschine noch pfundweise
Dallmayr Prodomo mit sich rum. Sie pilgern den Camino im zweiten Anlauf,
nachdem sie feststellen mussten, dass für ihren mitgereisten Hund kein Platz in
Herbergen und Hotels zu bekommen war. Nur um den Hund im heimischen Gießen artgerecht unterzubringen, reisten sie zwischenzeitlich nach Hause und
anschließend wieder an den Ort ihrer Unterbrechung. Als gelernter Berufssoldat
mit Nahkampfausbildung findet er inzwischen jeden Krieg überflüssig und
vermeidbar. Das sind Geschichten, die aus einem fast verhängnisvollen Tag einen
unvergesslichen machen. Wir brüllen vor Lachen und selbst Angelika, die heute
wegen ihrer vielen Blasen am Fuß einen Teil der Strecke mit dem Bus
zurückgelegt hat, macht am Ende des Abends wieder ein freundliches Gesicht.
     
     
     
    01.06.2009

Navarrete — Santo Domingo de la
Calzada 37 km
     
    Noch vor 7:00 Uhr laufen wir in
einen neuen Tag. Unser heutiges Ziel ist Cirueña, ein Ort vor Santo
Domingo de la Calzada. Die Strecke führt wieder an der Autobahn
entlang, und man soll es kaum glauben, auch wieder ständig berghoch. Auf der
Kuppe angekommen, bietet sich uns ein herrlicher Blick auf die ehemalige
Königsresidenz Nájera. Nájera wurde durch Araber gegründet und
heißt übersetzt „Ort zwischen Felsen“.
    Ein schattenloser Schotterweg
führt uns In die Stadt. Kaum angekommen verirrt sich Heidi in ein
Süßwarengeschäft. Die Türschwelle, die sich kaum vom Gehweg unterscheidet,
lässt sie in den Laden stolpern und lang zu Boden fallen. Die Verkäuferin eilt
ihr zur Hilfe und als ich das Geschehen im Geschäft erkenne, traue ich zunächst
meinen Augen nicht. Da der Rucksack Heidi ständig nach unten drückt und die
Verkäuferin an ihr umherzieht, hat es den Anschein, als kämpfen sie im Laden
miteinander. Ich krieg mich vor Lachen kaum noch ein und beruhige mich erst
wieder, als ich ihre klaffende Wunde am Knie und ihr schmerzverzerrtes Gesicht
sehe. Nachdem die Wunde versorgt ist, pausieren wir vor einem Café und nehmen
ein kurzes Frühstück ein. Wenig später machen wir uns wieder auf den Weg und
kommen mit einem Franzosen ins Gespräch. Er erzählt nebenher von seiner
Heimatstadt Paris. Gegen Mittag sind wir in Azofra und füllen am Dorfplatz unsere Wasserflaschen auf. Wolfgang trifft kurze Zeit
später ein und setzt sich zu uns. Angelika ist weiterhin mit dem Bus unterwegs,
weil ihre geschundenen Füße das Wandern unmöglich machen. Sie wird bis Santo
Domingo vorfahren und dort auf Wolfgang warten. Wir kommen mit zwei
Pärchen aus Hamburg ins Gespräch, die jede Herberge meiden und
nur in Hotels übernachten. Sie wohnen in Hamburg direkt am
Elbufer und bezeichnen Pilgerherbergen in Spanien als Krankheitsherde, denen
man sich auf gar keinen Fall aussetzen dürfe. Edelpilger nenne ich sie. Das
Beste würden sie doch verpassen, ist meine Antwort, aber das beeindruckt die
vier in keiner Weise.
    Ihre finanziellen Möglichkeiten
ließen es zu, sich nicht auf ein derartiges Niveau zu begeben. Sie müssen hier
nicht den Armen spielen und durch anderer Leute Fußpilz gleiten. Ja, das war
deutlich genug, ich bin erleichtert, als sie ihre Pause beenden. Heidi ruft auf
der Strecke in Cirueña in unserer Zielherberge an und erfährt, dass
diese erst ab Juli öffnet.

    Wir müssen also bis Santo
Domingo de la Calzada, das sind dann gute 37 km Gesamtlänge für heute.
Fünf Kilometer vor Santo Domingo, wir haben schon einen Blick auf
die Stadt, liegt Heidi, von Wadenkrämpfen geschüttelt, am Wegesrand. Ich drücke
ihren Fuß in Richtung Körper, wie man es manchmal bei Fußballern in der
Nachspielzeit der Verlängerung zu
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