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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman
Autoren: Franz Tumler
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Erstes Kapitel
Ein Betrug
    Dies ist die Geschichte eines Betrugs, aber die zwei Leute, die durch diesen Betrug gerettet wurden, erfuhren überhaupt nicht, daß es Betrug gewesen war, und Betrug nicht bloß an ihrem Verfolger, sondern ein höchst weitläufiger Betrug, der eine Menge Leben verschob und verschlang. Für die zwei sah es so aus, als hätte sich die Frau einfach geopfert, ihnen zuliebe, damit sie davonkämen. Das hing ihnen nach von dieser Geschichte, die sonst nur ein Abenteuer für sie hätte sein brauchen, halbvergessen; und damit trösteten sie sich dann manchmal: vergessen vielleicht auch dort drüben, bedeckt von der Nacht, hinab in der Zeit.
    Es war hoher Sommer, August; staubige graue Hitze lag über dem verholzten Gras. Auf der Wiese hinter dem Bemelmanhof arbeiteten die zwei Flüchtlinge. Sie gabelten das Heu auf einen Leiterwagen, dann zogen sie selber an der Deichsel und lenkten den Wagen über den abschüssigen Weg in die breite Toreinfahrt des Hofes. Von ihren schmutzigen Hemden rann Schweiß in Fäden auf das dicke Tuch ihrer Uniformhosen. Ihre Augen flackerten unruhig; ein Schatten war auf ihren Gesichtern, nicht einer von außen, sie trugen ihn, als ob innen ein Licht nicht mehr aus ihnen wirkte.
    An der Holzhütte unter dem Nußbaum saß die junge Frau und sah ihnen zu. Auf ihrem dünnen Kleid und auf ihrer weißen Haut wechselten Sonne und farbige Schleier von dem Spiel des Laubs. Sie hielt ein Buch in der Hand, einen Kalender, eine kleine Falte grub sich ihr zwischen den Brauen ein. Sie rechnete zurück: vier Wochen war es her; und es mußte dieser Tag gewesen sein, an dem sie ausgewiesen worden war aus dem Dorf; sie war zusammengewesen mit Axel, nicht zum ersten Mal, aber – anders als früher.
    Dunkle Nacht, und sie hatte gedacht, es würde wie sonst sein, der Mann, der sie brauchte, Axel, von seinem Gutshof verjagt, – sie mußte ihm beweisen, daß sie ihn nicht im Stich ließ, er mußte es spüren, daß er nicht allein war.
    Dieses eine Mal war es anders gewesen, es kam ihr zurück wie Gegenwart. Aber nun hatte sie wieder Furcht: diese Nacht im Dunkel nach einem schlimmen Tag, – die Falte blieb auf der Stirn.
    Eine Weile später rückte sie, weil die Sonne wanderte, das Kinderställchen, darin ihr kleiner Sohn spielte, in den Schatten. Ab und zu hob sie die Augen und sah dann nicht auf die zwei Männer, wenn die auch eben den knarrenden Wagen durch das Hoftor rollten, sondern sah über Zaun und Hauslache und Schattenflecken des Obstgartens hinweg in die ferne Tiefe. Dort unten lag der Wald, von dem Axel sagte: alles verloren; der grün-goldene Waldsaum, und davor dehnte sich die Wiesenmulde, über deren rostigem Grün wie Nebelstreif der Hauch des Wollgrases wehte. Eine weite Fläche, abends traten die Rehe heraus und ästen in dem sumpfigen Grund. Und von dorther wanderten Susanna Jorhans Augen, die in ihrem Grau und Blau immer ein wenig zitterten und unruhig suchten, die lange Flanke des Hügels wieder herauf.
    Die beiden Flüchtlinge pumpten Wasser am Brunnen und redeten miteinander. Der eine sagte:
    Jetzt ist es bald vierzehn Tage, daß wir uns hier schinden, ich halt es bald nicht mehr aus!
    Besser als im Lager, sagte der andere.
    Na und hier, sagte der eine, jeden Tag sich schinden, und dann, wenn einer kommt, schnell ins Heu, und du weißt, wenn er dich entdeckt, blüht dir mindestens wieder das Lager!
    Bis jetzt haben wir Glück gehabt!
    Aber wie lang soll das noch so dauern?
    Der andere zuckte mit den Schultern. Bis es wieder ruhig wird draußen, bis man hinüberkann auf die andere Seite!
    Er blinzelte zu Susanna. Ob wir es noch schaffen heute, daß wir das Heu einbringen?
    Da waren die Augen der Frau wieder drunten am Waldsaum, als wäre er eine Wand, die eine versteckte Tür enthält, und flirrendes Laub in der Nähe, heißzitternde Luft über Hügel und Mulde. Aber dann regte sich dazwischen eine Gestalt, Pferd und Reiter, sie bewegten sich über die Sumpfwiese hin, die Waldtür hatte sich geöffnet.
    Die zwei Flüchtlinge kamen nicht mehr dazu, das Heu einzubringen; der Bauer Bemelman mußte es jetzt selber tun, und in seinem beflissenen mürrischen Gesicht verriet nichts, daß es noch andere Männer hier gab. Nichts mehr war vorhanden von den beiden Helfern, sie lagen in der Scheune auf dem Heustock, horchten hinter der Bretterwand und sahen auch einiges durch das Astloch.
    Dieser Kolja war wohl wieder betrunken, er war ja meistens betrunken, wenn er kam. Solange
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