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Pausen tun uns gar nicht gut

Pausen tun uns gar nicht gut

Titel: Pausen tun uns gar nicht gut
Autoren: Bennecke,Jürgen
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richtig schwirrend heiß. Bei jeder Pause
ziehen wir die Schuhe und Socken aus um Luft an unsere stinkenden Füße zu
lassen. Die ganze Prozedur ist jedes Mal ein wenig aufwendig, aber unglaublich
erholend.
    In einer Touristeninformation,
in der wir unsere Ausweise wieder mit einem weiteren Stempel füllen, kaufe ich
mir einen preiswerten Hut, auf den der gelbe Pfeil, dass Zeichen des
Jakobsweges, gedruckt ist. Mein Basecap ist mir zu langweilig geworden, und ich
fühle mich mit meiner neuen Kopfbedeckung wie ein richtiger Pilger. Ich
sinniere unter der drückenden Sonne so vor mich hin, denn die Landschaft neben
der Autobahn interessiert mich im Augenblick genauso wenig wie der Fischbestand
vom Yangtzekiang. Ich und pilgern, nie hätte ich so etwas früher für möglich
gehalten. Es ist ja auch irgendwie verrückt, sich zu Fuß Hunderte von
Kilometern durch Sand, über Steine und Teerstraßen zu schleppen. Und doch tun
sich jedes Jahr tausende Menschen so etwas freiwillig an. Manchmal überkommen
mich Zweifel, ob das, was ich hier mache, einen Sinn hat, aber im selben
Augenblick glaube ich wieder fest an die Kraft des Weges. Zu Hause lässt man
sich anstecken von der Jagd nach Geld und Besitztümern und empfindet hier und
da Neid darüber, was andere sich leisten können. Hier auf dem Camino freut man
sich auf ein durchgelegenes Bett und eine halbwegs warme Dusche. Was braucht
man denn zum Glücklichsein? Besitz macht abhängig und unfrei, je mehr man hat,
desto mehr will man haben. Und bei jeder neuen Anschaffung kommt kaum noch
echte Freude auf.
    Wie heißt es doch so schön in
einem Liedtext von August Mühling, dass wir hin und wieder während des Wanderns
im Kanon singen:
    „Froh
zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König“.
    Kurz
nach 14:00 Uhr erreichen wir heute unser Ziel Belorado, und
wieder finden wir in einer kirchlichen Herberge Platz.

     
    Angelika wartet schon auf uns
und wir vier schlafen heute Nacht in einem Vierbettdurchgangszimmer in der
oberen Etage. Im Garten des Anwesens gibt es sogar einen Swimmingpool. Wir
machen es uns bequem, so faul wie heute waren wir noch nie auf der Tour. Um
19:00 Uhr gibt es das Pilgermenü direkt von unseren Gastgebern. Dabei sitzen
uns zwei Spanier gegenüber. Mit Händen und Füßen wird geredet, Heidi zeigt in
dieser Form der Kommunikation besonders viel Phantasie. Nach dem Abendbrot
schlendern wir noch ein wenig auf dem Marktplatz der Stadt. Weil mein Fuß immer
noch gewaltig schmerzt, halte ich Ausschau nach einem Physiotherapeuten.
„Fisioterapeutas“ steht über einer Eingangstür, hinter der milchigen Scheibe
brennt noch Licht. Es öffnet eine freundliche junge Frau die Tür und macht mir
deutlich, dass sie in einer halben Stunde Zeit für mich hat. Pünktlich stehe
ich wieder wie verabredet vor ihrer Tür. Nachdem ich eintrete, fragt sie mir
erstmal Löcher in den Bauch und fordert mich auf, auf ihrer Liege Platz zu
nehmen. Auf einmal holt sie ein Gerät aus ihrem Schrank, das aussieht wie ein
großer Fleischerhaken mit Griff. Nach meinem entsetzten Blick zeigt sie mir
vorsichtig an meiner Hand, was sie jetzt vor hat. Sie zupft bestimmt eine halbe
Stunde an mir herum und ich spüre tatsächlich Entlastung. Gegen 22:20 Uhr sind
wir zurück in der Herberge und fast pünktlich in unserem Bett verschwunden. Na
dann!
     
     
     
    03.06.2009

Belorado
— Atapuerca 30 km
     
    Der Tag beginnt mit einem
Frühstück in einer völlig überfüllten Küche. Für eine vierköpfige Familie
sicher ausreichend ist sie aber dem morgendlichen Pilgeransturm nicht
gewachsen. Das Besteck geht reihum, aber kein Mensch stört sich daran. Wer
keinen Platz am Tisch findet, frühstückt im Stehen direkt neben dem Kühlschrank
oder angelehnt im Türrahmen. Wir beeilen uns mit dem Essen und würgen einen
Kaffee und zwei Weißbrotscheiben runter, um für die nach uns Aufgestandenen
Platz zu machen. Wir sind bereits um 6:40 Uhr wanderfertig.
    Die ersten 15 km geht es wieder
steil bergauf, besonders für Heidi grausam und sehr beschwerlich. Aber genau
das ist inzwischen unsere Taktik, wir müssen morgens frisch und ausgeruht die
Berge hinauf um abends vor dem nächsten Berg unserem Körper wieder Erholung zu
gönnen. Dabei besonders die kühle Morgenluft nutzend 20 bis 23 km vorlegen, um
den Nachmittag ruhig 7 bis 10 km auslaufen zu können, bevor es in den nächsten
Tag geht. Denn nachmittags oder abends brauchen wir bei dieser gnadenlos
brennenden Sonne nicht einmal
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