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Pausen tun uns gar nicht gut

Pausen tun uns gar nicht gut

Titel: Pausen tun uns gar nicht gut
Autoren: Bennecke,Jürgen
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Spanisch klappte die Verständigung. Da gab es die drei Italiener, die
fast vier Wochen lang unsere Begleiter waren, Wolfgang, ein bayrischer
Naturbursche, der mit seinem Humor ganze Säle unterhalten könnte, Rudi, ein
ehemaliger Schweizer Manager, der erst nach einem Herzinfarkt die Endlichkeit
des Lebens erkannt hat, die 64-jährige Hannelore aus Hamburg, die
im Sturmschritt an uns vorbeilief, mit einer Kondition, die ihres gleichen
sucht, Klaus aus Duisburg, der für seine verstorbene Frau ging
und Ecki aus der Nähe von Oschersleben der vor Schmerzen aufgeben
wollte und dennoch mit uns ans Ziel kam.
    Die Pilgerherbergen, so
genannte Albergue de peregrinos waren alltägliche Anlaufstelle für uns Pilger.
Mit 8, 12 oder auch 24 anderen Menschen in einem Raum zu schlafen, sich am
Abend mit Schlafsack in ein Doppelstockbett zu legen, war Erholung und
Herausforderung zugleich. Alle dem Menschen eigene Geräusche erfüllten den Raum,
durchzuschlafen war uns fünf Wochen nicht mehr vergönnt. Und doch, am nächsten
Morgen gegen 6:00 Uhr konnten wir mit frischem Mut und neuer Kraft auf die
nächste Etappe gehen, und die war im Schnitt 32 km lang. Ab 11:00 Uhr wurde das
Pilgern zum anstrengenden Unternehmen, ja manchmal zur Qual. Doch spätestens am
Ende unserer Pilgerreise war uns klar: Der Weg war das Ziel! Alle Begegnungen
mit anderen Menschen, alle Erfahrungen, aber auch alle Anstrengungen und
Jammerei hatten ihren Sinn. Am 19.6.2009 erreichten wir Santiago de
Compostela , eine moderne Universitätsstadt. Die Kathedrale, deren Bau
im 10. Jahrhundert begann, gilt heute als eine der schönsten und größten der
Welt.
    Vor diesem Bauwerk zu stehen,
zu wissen, das schon jahrhundertelang Pilger aus aller Herren Ländern dieses
eine Ziel hatten, machte stolz, aber auch demütig. Wir mussten diesen Weg nicht
gehen, wir konnten, ja durften ihn gehen.
    Beim Pilgergottesdienst, der
jeden Tag um 12:00 Uhr stattfindet, trafen wir viele Bekannte der vergangenen
Wochen wieder, ein großes Hallo und in den Armeliegen fand statt. Manche Träne
ist geflossen, auch wegen der Ahnung, dass das Ende der Pilgerei nahe war. Die
Anstrengung der vergangenen Tage war vergessen, Pilgern gar zu unserem
Lebensrhythmus geworden. Der Höhepunkt des Gottesdienstes war das Schwenken
eines 80kg schweren Weihrauchkessels, des Botafumeiro. Diese Tradition, die nur
zu besonderen Anlässen durchgeführt wird, begeisterte uns alle. Das wir auch
diesen Brauch erleben durften, bestärkte uns darin, dass wir auf dem richtigen
Weg waren. Wir hatten kaum Blessuren davongetragen und gesund das Ziel
erreicht.
    Stolz gingen wir in das
Pilgerbüro, zeigten unsere vollen Pilgerpässe und erhielten die Compostela,
eine Pilgerurkunde, die bezeugt, dass wir anerkannte Pilger waren. Noch einen
Tag verbrachten wir in Santiago, doch schon der nächste Morgen
zog uns wieder auf die Pilgerwege. Das Ziel hieß Finisterre, ein
Ort am Atlantik gelegen.
    Dass dieser noch einmal 95 km
von Santiago entfernt war, konnte uns nicht mehr erschüttern. Am
Kap Finisterre ist es Brauch, abgelaufene Schuhe, zerrissene
Kleidung zu verbrennen und dann den Sonnenuntergang zu erleben.
    Ein würdiger Abschied von
unserer fünfwöchigen Pilgerreise, ein Abschied von liebgewordenen Freunden. Es
bleibt die Erkenntnis, zufrieden und mit sich im Reinen zu sein.
    Wir sind erholt von dieser
Reise zurückgekommen. Erholt nach diesen Strapazen?
    Ja, denn dieses einfache
Pilgern mit dem Ziel Santiago hat uns die Natur nahe gebracht,
wir sind einfach nur gelaufen, haben unseren Körper und damit uns selber besser
kennen gelernt und waren zufrieden.
    Und noch was, wir hatten die
Gesundheit, den Mut und die Mittel für die Pilgerreise, aber vor allem hatten
wir auch die Freiheit, diesen Weg zu gehen.

     
     
    25.05.2009

Beginn unserer Pilgerreise:
     
    Um 4:00 Uhr klingelt der
Wecker, Aufstehen ist angesagt. Unser Sohn Stephan, den sein täglicher
Arbeitsweg über Salzwedel nach Stendal führt, wird
uns bis zum Salzwedeler Bahnhof mitnehmen. Stephan ist ein furchtbarer
Morgenmuffel, er ist um diese Zeit völlig genervt, gibt uns die Schuld, dass an
seinem Rucksack der Reißverschluss kaputt geht und verlangt von uns absolute
Ruhe am Küchentisch. Auf dem Weg nach Salzwedel liegt es an uns,
dass seine Scheiben von innen beschlagen, weil wir zu tief ein und damit
„völlig übertrieben“ ausatmen.
    In Salzwedel angekommen, hat er sich wieder beruhigt und hilft uns beim Ziehen der
Fahrkarten am
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