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Pausen tun uns gar nicht gut

Pausen tun uns gar nicht gut

Titel: Pausen tun uns gar nicht gut
Autoren: Bennecke,Jürgen
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unentbehrliche Wasser spendet, sondern auch einen der
traditionellen „Treibstoffe“ des Pilgers, den energiereichen und belebenden
Wein. Und tatsächlich, als Heidi ihre Hand unter den Hahn hält, färbt sich das
Wasser rot.
    Wenig später treffen wir
Michele, eine dunkelhäutige US-Amerikanerin. Sie geht so langsam, dass ich mit
ihrer Ankunft in Santiago nicht vor Ende August rechne. Wenn sie
lacht, bewegt sich ihr ganzer Körper, und sie lacht ständig. Wir laufen heute
unheimlich schnell, fast einen Schnitt von fünf Kilometer die Stunde, trotz
Höhenunterschieden. Es sind viele Pilger unterwegs, und es gibt immer wieder
interessante Gespräche. Mit einem Pärchen aus Südafrika kommen wir etwas länger
ins Gespräch. Natürlich ist die Fußballweltmeisterschaft im nächsten Jahr ein
Thema. Sie sind stolz, dass ihr Land Gastgeber für dieses Ereignis ist und
freuen sich auf dieses Fußballfest.
    Vor uns läuft ein Hirte mit
einer riesigen Herde Schafe, und wir tummeln uns mitten unter ihnen. Die Schafe
öffnen bereitwillig ihre Reihen und schließen diese hinter uns wieder.
    Wir erreichen nach
zweiundzwanzig Kilometern Los Arcos. Hier begrüßen uns Kinder mit
Stierattrappen auf Rädern. Auf dem Marktplatz spielt eine Blaskapelle. Wir
suchen uns einen Tisch vor einem Café und essen Calamaris und trinken Rotwein
dazu. Klaus und die beiden Bayern treffen ein, dadurch verlängert sich die
Mittagspause entsprechend. Wir sind uns über das heutige Ziel schnell einig,
die acht Kilometer bis Torres del Río ,schaffen wir noch.
Klaus geht schon mal vor und die beiden Frauen kurze Zeit später hinterher. Wolfgang
und ich trinken noch in Ruhe aus, bevor auch wir uns zur letzten Etappe des
heutigen Tages aufrappeln. Unterwegs spricht er über seine Probleme, die so
privat sind, dass ich über sein Vertrauen erstaunt bin. Mein rechter Fuß fängt
auf dieser Schotterpiste an zu schmerzen, die sich hinzieht, bevor eine
Landstraße bis in den Ort Sansol führt. Von hier aus geht es nach
einer kurzen Pause noch einen Kilometer auf der Landstraße bis zum Ziel: Torres
del Río. In einer netten privaten Herberge bekommen wir ein
Sechsbettzimmer zugewiesen und ziehen gleich zu fünft ein. Nach der wohltuenden
Dusche vermittelt uns unsere Gastgeberin eine Massage in unmittelbarer
Nachbarschaft. Der Mann hat Ahnung. Ohne ihm zu zeigen, wo mein Problem liegt,
ist er in zwanzig Sekunden an meinem rechten Fuß.
    Wieder im Zimmer unserer
Herberge beobachte ich Angelika, wie sie sich mit einer unsterilen Nadel Blasen
unter ihrem Fuß aufsticht und bin heilfroh, dass ich davon bis jetzt so gut wie
verschont blieb. Ich kann und will mir die Schmerzen beim Auftreten nicht
vorstellen.
    Beim Abendbrot erzählt Klaus
Türkenwitze, die mir nicht einmal ein Anstandslächeln abringen können. Da sind
mir die Witze von Wolfgang lieber, bei denen es nur um das Eine geht. Für das
fürstliche Essen bezahlen wir 10,- € pro Nase und berappen noch einmal 7,- €
für die Unterkunft. Zurück in der Herberge sitzen einige Pilger im Innenhof
zusammen und wir unterhalten uns noch ein wenig mit ihnen. Ein Pilger, der aus Bautzen kommt, ist mit Blessuren an Kopf und Füßen derart bestraft, dass der liebe Gott
ihn für alle Sünder dieser Welt wohl auserkoren hat, um Buße zu leisten.
    Zur Runde gehört auch ein
Pärchen im vorzeitigen Ruhestand, das uns erzählt, ihren Urlaub schon seit
Jahren auf dem Jakobsweg verbracht zu haben und sich auch in Zukunft nichts
anderes vorstellen kann. Ein weiterer Mann sagt, ein echter Pilger auf dem
Jakobsweg muss sich wenigstens einmal verlaufen, einmal etwas verloren und
einmal geweint haben. Verlaufen habe ich mich schon und verloren hab ich meinen
Reiseführer, nur mit dem Weinen, da lasse ich mir am besten noch etwas Zeit.
    Ein Berufsoffizier der
Bundeswehr sitzt mir gegenüber und berichtet von seinem Einsatz in Afghanistan
und wie wichtig die Deutschen am Hindukusch sind. Selbst Umfragen bei der
afghanischen Bevölkerung hätten ergeben, wie beliebt die deutschen Soldaten
dort sind. Welch renommiertes Institut wohl die Umfrage durchgeführt habe und
in wessen Auftrag würde mich mal interessieren. Da müsse er passen, erstaunt
mich seine Antwort. Selbst wenn ich die Zeit bis nach Santiago mit ihm verbringen müsste, sie würde nicht reichen, um mich von der
Stationierung der Bundeswehr in Afghanistan zu überzeugen. Denn Soldaten lösen
keine Probleme, sie schaffen nur ständig neue. Nach einem achtjährigen
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