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Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger
Autoren: Lisa Hendrix
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Die Saga
    E
s war zur Zeit der Einfälle der Nordleute in Britannien, als Håkon Eisenzehe, einem mächtigen nordischen Stammesführer, eine Geschichte zu Ohren kam, die sich seine angelsächsischen Leibeigenen erzählten, nämlich, dass die Männer von Odinsbrigga im Königreich Anglien einen unermesslichen Schatz hüteten. Entschlossen, sich seiner zu bemächtigen, schickte Håkon seine tapfersten Krieger, angeführt von Brand Einarsson, den man auch den »Hammer des Thor« nannte, um das Dorf einzunehmen und ihm das Gold zu bringen. Der Schatz wurde aber nicht nur von den Schwertern der Männer beschützt, sondern auch von den Zauberkräften der Hexe Cwen, die Krieger aus ihrem eigenen Blut erschuf und ihren Sohn schickte, um sie anzuführen.
    Als Brand mit ansehen musste, wie seine Männer hingemetzelt wurden, erfüllten ihn furchtbarer Zorn und die Kraft von zehn Berserkern. Er stürzte sich auf die Schattenkrieger, streckte einen nach dem anderen nieder, bis seine Klinge auf Fleisch und Blut traf und er Cwens Sohn tötete.
    Rasend vor Schmerz benutzte Cwen ihre magischen Kräfte, um Brand zu bannen und diejenigen seiner Männer, in denen noch Leben pulsierte. Sie belegte sie vor dem Schatz, den zu rauben sie gekommen waren, mit einem Fluch, und verwandelte sie in Schattenwesen, verdammt zu einem Leben halb als Mensch, halb als Tier, ein jeder in der Gestalt seiner
fylgja,
desjenigen Tieres, das er zum Schutzgeist hatte und dessen Bild er auf seinem Körper an einer silbernen Kette trug. Danach raubte sie ihnen die Amulette, verstreute sie über die ganze Welt und trieb die Männer in den Wald hinein, wo sie auf ewig gejagt werden sollten.
    Als Håkon die Kunde von Brands Schicksal erreichte, zitterte er vor Angst und ließ sogleich die Segel setzen, doch aus dem Meer erhob sich eine riesige Welle und verschlang sein Schiff. Und so erfuhr er nie von dem stärkeren Fluch, der über seine Männer gekommen war, denn Cwen hatte den Kriegern auch Unsterblichkeit verliehen, so dass ihre Qual nie enden konnte.
    Nach mehreren Generationen waren die Männer von Odinsbrigga der Jagd überdrüssig, und Brand rief seine Männer zusammen. Doch jedes Mal, wenn die Sonne auf- oder unterging, stürzten sich die in Tiergestalt auf die in menschlicher Gestalt, und der schändliche Fluch bewahrte sie wohl vor dem Tod, nicht jedoch vor Schmerzen. Als sie einsehen mussten, dass sie so nicht zusammenleben konnten, beschlossen sie, jeder seines Wegs zu gehen. Bevor sie sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten, schwor Brand jedem seiner Krieger, Cwen zu jagen, bis er sie gefunden hätte und er sie für das büßen lassen würde, was sie ihnen angetan hatte.
    Jahre vergingen und wurden zu Jahrhunderten, und Brand war noch immer auf der Jagd nach Cwen. Einer nach dem anderen lernten seine Krieger, wieder unter den Menschen zu leben. Der Erste von ihnen war Ivar, Sohn des Thorli, Graurock genannt, der jedes Mal, wenn der Tag graute, die Gestalt eines Adlers annahm …
     
    Aus der
Dyrrekkr Saga
    von
Ari Sturlusson

Kapitel 1
    Dezember 1095
    W ahnsinn. Anders konnte man es nicht bezeichnen.
    Ivar stand vor dem Keep von Salisbury Castle. Sein Herz schlug so heftig, als zöge er in die Schlacht. Er fragte sich, welcher Teufel ihn geritten hatte, als er beschlossen hatte hierherzukommen.
    In all den Jahren seit Odinsbrigga war er nie unter so vielen Menschen gewesen. Üblicherweise bestellte man ihn an einen abgeschiedenen Ort – eine Kapelle auf dem Land, ein kleines Gut, eine Lichtung im Wald – mit wenigen Getreuen, die wussten, wer er war und was er tat.
    Bei den wenigen Malen, die er in eine Stadt reiste, hielt er sich stets am Rande auf, wo der Schutz des Waldes nur wenige Schritte entfernt war.
    Nun aber war er hier im Innenhof einer mächtigen Burg mit einem im Außenhof lagernden Heer und einer Stadt jenseits der Mauern. Jede Faser seines Körpers schrie ihm zu, dass dies eine Falle war, dass man ihn gefangen nehmen konnte und das halbwegs normale Leben, das er sich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte aufgebaut hatte, zu Ende wäre.
    Ja, es war Wahnsinn. Doch ungeachtet dessen würde er in den Wohnturm gehen, denn William hatte ihn dorthin bestellt, und Ivar wollte wissen aus welchem Grund. Er holte tief Luft und stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf.
    Der Wache nannte er den Namen, unter dem er bei den Normannen bekannt war: »Sir Ivo de Vassy.«
    »Oben«, brummte der Wächter und öffnete die Tür.
    Längst nicht mehr
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