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Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger
Autoren: Lisa Hendrix
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der Begleiter des grauen Ritters mit dröhnender Stimme und legte die Hand auf den Griff seines Schwerts. Und als spüre der Vogel – ein großer Rabe – auf seiner Schulter drohenden Ärger, flog er auf die Mauer.
    »Der neue Baron von Alnwick? Das kann jeder behaupten«, sagte Oswald, wobei er mit Sicherheit gelassener klang, als er sich fühlte. »Solange ich keine königliche Verfügung gesehen habe, bleibt Gilbert Tyson der Lord von Alnwick. Und ich stehe in seinen und Lady Alaidas Diensten.«
    »Nur allzu verständlich«, sagte der graue Ritter und zog ein gefaltetes Stück Pergament aus der Satteltasche. »Seid Ihr der lateinischen Sprache mächtig, My Lady?«
    »Dafür ausreichend«, antwortete Alaida und steckte das Messer zurück in die Scheide. Sie nahm das Dokument und ging damit zu einer der großen Fackeln hinüber. De Vassy folgte ihr. Die Schrift des Schreibers war gestochen, und selbst in dem Fackelschein konnte Alaida die entscheidenden Wörter entziffern:
Ivo de Vesci. Barô. Dominus. Alnwick.
Darunter befand sich das königliche Siegel, das sie bereits von den Briefen kannte, die ihr Großvater erhalten hatte. All die bangen Gedanken, die sie in den vergangenen Monaten verdrängt hatte, brachen mit Macht über sie herein. Mit erstickter Stimme fragte sie: »Ist mein Großvater tot,
Monseigneur?
«
    »Nein. Er sitzt im Verlies von Windsor, zusammen mit Mowbray. Aber er lebt. Und soweit ich gehört habe, ist er wohlauf.«
    »Habt Dank, My Lord«, sagte Alaida und riss sich zusammen. Dann drehte sie sich erhobenen Hauptes zu den anderen um und verkündete: »Das ist eine Verfügung des Königs. Heißt euren neuen Herrn willkommen.«
    »Bei allen Heiligen!« Bôte bekreuzigte sich und machte hastig einen Knicks.
    Oswald schob sein Schwert zurück in die Scheide. Mit einem entschuldigenden Blick zu Alaida ließ er sich auf ein Knie nieder: »Vergebt mir, My Lord. Es ging mir lediglich um My Ladys Schutz.«
    Lord Ivo tat die Entschuldigung mit einer Geste seiner behandschuhten Hand ab. »Solches Pflichtbewusstsein erhoffe ich mir auch künftig. Wie ist Euer Name?«
    »Oswald, My Lord, Marschall von Alnwick.«
    »Steht auf, Marschall Oswald. Ihr anderen ebenfalls. Jemand möge sich um unsere Pferde kümmern.«
    Der junge Tom beeilte sich, die Zügel des edlen Pferdes zu ergreifen, während ein zweiter Stallknecht die beiden anderen Pferde nahm und in den Stall führte. Lord Ivo schritt in die Hofmitte und ging langsam im Kreis, als wolle er jeden Stein und jeden Holzbalken in Augenschein nehmen. Zu guter Letzt ruhte sein prüfender Blick auf Alaida.
    Verflucht sei William!,
dachte Alaida. Er hatte sie diesem Usurpator versprochen; dessen war sie sich so sicher wie ihres Namens. Aber dieser frischinthronisierte Lord würde keine willige Braut vorfinden – falls er sie überhaupt fand. Sie besaß genügend eigene Silbermünzen, um Asyl in einem Kloster zu bekommen, und von dort aus konnte sie ein Gesuch um Freilassung ihres Großvaters einreichen. Mit dem ersten Tageslicht würde sie sich auf den Weg machen.
    Ivos Blick verriet, dass er offenbar ihre Gedanken lesen konnte. Er streifte einen seiner Handschuhe ab und streckte den Arm aus. »Kommt, My Lady. Zeigt mir meine neue Halle.«
    Zeigt mir meine neue Halle!
Als ob es so einfach wäre! Alaidas Welt war gerade bis auf die Grundmauern erschüttert worden. Wie er dort stand und offensichtlich erwartete, dass sie zu ihm kam! Sie ballte die Faust und funkelte ihn herausfordernd an. Sollte er ihr doch einen Hieb versetzen. Sie würde sich nicht wie ein Hofhund behandeln lassen.
    Ivo kniff die Augen zusammen und war mit drei Schritten an ihrer Seite, so nah, dass sie seinen Atem an ihrer Wange spürte. Doch anstatt sie zu schlagen, beugte er sich zu ihr hinab und flüsterte ihr ins Ohr: »Lasst es nicht auf diese Art beginnen, My Lady!«
    Sein gedämpfter Ton klang warnend, doch noch etwas schwang in seiner Stimme mit. War es Freundlichkeit? Gar freudige Erwartung? Alaida fühlte sich davon entwaffnet, so dass sie, als er einen Schritt zurückging und abermals den Arm nach ihr ausstreckte, ihre Hand in seine legte. Fordernd schlossen sich seine Finger um ihre. Alaida stockte der Atem. Doch im Stillen schwor sie sich, dass ihre Kapitulation lediglich vorübergehend wäre, um ihn in Sicherheit zu wiegen, damit sie am nächsten Morgen umso leichter entkommen könnte.
    »Werde ich auf Widerstand stoßen?«, fragte Ivo und geleitete sie zur Tür. Sein
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