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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Autoren: Langen Müller
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begegnen.
    Es vergingen etwa fünfzehn Jahre. Der Klavierspieler war mit seinem Trio im »Jazzworld«, einem sehr guten Club der Universitätsstadt, engagiert. Beim zweiten Set der Opening-Night sah er zwei Frauen sich an einen Tisch in der vordersten Reihe setzen. Er sah noch einmal und noch einmal hin. Sah sie ihr nur ähnlich oder war sie es?
    In der ersten Pause steuerte er den Tisch an. Sie war es. Sie war die Fee. Der Engel. Stark verändert. Zu mager. Die Augen flackernd. Die Frau neben ihr trug Leder. Anthrazit. Sie erlaubte ihrer Begleitung das Gespräch mit dem Mann und ging an die Bar. Er wusste Bescheid und nahm Platz.
    Die Ex-Fee wollte sein Klavierspiel loben. Er unterbrach.
    »Wie geht es Ihrem Vater?«
    »Der lebt nicht mehr.«
    »Wieso? War er krank?«
    »Nicht wirklich.«
    »Was heißt das?«
    »Depression.«
    Er starrte sie an. Sie setzte fort:
    »Ja, er hat sich umgebracht.«
    Der Klavierschüler konnte es nicht fassen.
    »Ja wieso denn?«
    Sie erzählte fahrig und stockend.
    »Er hat immer darunter gelitten, als Solist nicht anerkannt zu sein. Nur als Lehrer. Als junger Mann hat er Konzerte gespielt. Da gibt’s Kritiken. Ganz gute. Aber das ist dann irgendwann abgerissen. Vor ein paar Jahren hatte er wieder eine Chance. Als Einspringer bei einem Konzert mit den Symphonikern. Er hat Brahms und Beethoven gespielt. Und zwei Tage darauf hat er Verrisse gelesen. Durch die Bank. Sie haben ihn im Hotelzimmer gefunden. Tabletten.«
    Der Klavierspieler fühlte eine nie gekannte Traurigkeit. Er stand auf und ging zum Flügel. Er begann »I remember April«. Die Rhythmiker kamen, erst der Bass, dann der Drummer, nach und nach dazu. Sie wunderten sich über die Kürze der Pause. Der Klavierspieler spielte seine Trauer und er spielte wie noch nie in seinem Leben, er hörte harmonische Rückungen, Figuren von ungewohnter Brillanz, mutig, virtuos. Er meinte, so ähnlich könnte Keith Jarrett den Titel spielen.
    Neben dem Flügel stand keine blonde Kindfrau mehr. Und er spielte zum ersten Mal in seinem Leben ohne Angst.

Besseres Bier
    DER MALER WAR EIN GUTER TYP. Mit dem Kennenlernen dieses Malers hatte die weltbekannte Provinzstadt für den neuengagierten Regisseur ihre völlige Fremdheit verloren. Denn ein Theater ist einer Stadt dieser Art, das hatte er sofort begriffen, etwas Exterritoriales. Die Menschen am Stadttheater, die sich nicht mehr als exterritorial empfanden, hatten sich mit einem Kleinbürgerstatus, weit hinter jenem von Händlern und Beamten, zufriedengegeben.
    Der Maler hatte ihn eingeladen. Da der Regisseur zu fragen vergessen hatte, ob der Maler allein oder mit Frau oder Freundin wohnte, besorgte er einen kleinen Blumenstrauß und ein antiquarisches Büchlein mit »Heldenzeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg«.
    Er kletterte in einem schon recht verwahrlosten Haus über eine enge Treppe hinauf in eine winzige Dachwohnung. Die Wohnung war so klein, dass der Optimismus des Gastgebers erstaunlich war, hier Gäste bewirten zu wollen. Der aber hatte das mit drei Leuten vor, denn es gab da noch ein Architektenehepaar als weitere Gäste.
    Während eines angeregten Gesprächs mit den Architekten über Bausünden konnte er mit ansehen, wie der Maler auf der Parodie eines Ofens über Stunden ein zwölfgängiges Menü bereitete, das, neben Käse und Salaten, alles vom Lamm bot. Während des Schwärmens über jeden Gang gestand er, was das rein Kulinarische betraf, mit eher gemischten Gefühlen gekommen zu sein: Er hätte – und jetzt schämte er sich dafür – eher mit Toast oder Pizza gerechnet.
    Brüllendes Gelächter vor allem von Seiten der Architekten war die Antwort. Der Maler hatte offensichtlich einen gestandenen Ruf als Meisterkoch.
    Der Maler zeigte sein Kochbuch, das noch von seiner oder irgendeiner anderen Urgroßmutter stammte. Man blätterte in den mit Fettspritzern übersäten Seiten und freute sich, dass die Verfasserin eine »Hofköchin« bei den Fürsten Sowieso gewesen war.
    Bald stellte das durch Weine aus Karaffen zunehmend illuminierte Quartett die Theorie des Zusammenhanges von Kunst und Kochen, also die Theorie der Kochkunst, her. Auf diesem Gebiet war der Maler nicht zu schlagen. Essen sei Objektkunst, dozierte er. Das Essen hätte aber anderen Objekten gegenüber den Vorzug, sich durch sich selbst aufzulösen. Es sei ein Objekt, das kreiert werde, um rituell vernichtet zu werden. Das habe den immensen Vorteil, dass man keine Museen für Essensobjekte bauen müsse. Oder
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