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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Autoren: Langen Müller
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Der Titel des Liedes
    DER JUNGE MANN WAR ÜBERGLÜCKLICH. Er hatte die Aufnahmeprüfung an der Musikakademie mit Glanz bestanden. Die Prüfer waren übereinstimmend der Ansicht, dass es sich bei seiner Tenorstimme um ein überaus entwicklungsfähiges »Material« handle. Dieser Meinung waren – nach langem Kampf – auch seine Eltern gewesen, die einsehen mussten, dass er als Pianist in einer Hotelbar geendet hätte. Denn statt Klavier zu üben hatte er zu Hause immer nur Standards gespielt, auch Schnulzen, langsam, aber sicher ergänzt durch Operettenschlager und Arien aus Spielopern. Der zukünftige Tenor war also – nach dem landläufigen Musikbegriff – eher ein Kitschist.
    Er bezweifelte selbst, es bis zu Puccini zu bringen, ausgenommen vielleicht der Rinuccio in »Gianni Schicchi«, aber von Rossini bis Donizetti, gerne auch Lortzing und, wenn’s denn sein muss, Mozart, schien ihm alles möglich. Auch an allerersten Häusern. Daneben kokettierte er mit der Vorstellung, etwa in »Der Graf von Luxemburg« den René zu singen. Wenn er in seinem Elternhaus allein war, hatte er oft zur CD Nicolai Geddas »Es duftet nach Trèfle Incarnat« mitgesungen, ohne genau zu wissen, was Trèfle Incarnat genau bedeutet. Dass es sich um ein Parfum handeln musste, war ihm klar. Er imitierte die phantastische Phrasierung des berühmten Sängers schon sehr gekonnt und sah sich im Frack, in strahlendem Licht, von Frauenblicken verschlungen. Er war eben Kitschist.
    Seine Glückssträhne setzte sich fort, denn am Aushang in der Musikakademie offerierte eine Baronin Sowieso ein Studentenzimmer, mit der Einschränkung »keine Instrumentalisten«. Als er sich artig vorstellte und anmerkte, er würde wohl auch mit Stimmübungen stören, sagte ihm die Dame, dass sie das nur genösse, denn ihre Gesangskarriere wäre am Singverbot im Elternhaus gescheitert.
    Für Studenten und – innen jeglicher Art stellt sich das Problem der Nahrungsaufnahme, jedenfalls dann, wenn das »Hotel Mama« ein paar Zugstunden entfernt ist. Gleichzeitig geht es natürlich auch um abendliche Treffpunkte nach Oper oder Konzert, besonders um spät noch geöffnete. Da machte unseren Tenor ein Mitstudent, Sohn ungarischer Eltern, darauf aufmerksam, dass schräg gegenüber von des Tenors Quartier ein Lokal namens »Balaton-Stuben« nicht gut, sondern auch sehr preisgünstig sei. Darüber hinaus spiele dort auch ein Primas überdurchschnittlich Geige. Der Kollege hätte von ihm schon einmal Sarasate gehört.
    Die beiden Studenten gingen am selben Tag – nach einer schwachen »Carmen« – dorthin essen. Sie aßen die Balaton-Platte, die aus einem weiter nicht bemerkenswerten, gemischten Spieß bestand, aber dank großer Mengen paprizierten Reises und frischer Pommes kaum wegzubringen, also ideal war.
    Schon während des Essens hatte der junge Tenor ein Ohr für die Zigeunermusik. (Er wusste, dass das Wort »Zigeuner« nicht mehr korrekt war, hielt es aber in Zusammenhang mit Musik für unverzichtbar.) Es war ein Quartett, Geige, Klarinette, Bass und Cimbal. Die drei Begleiter störten nicht, der Primas war fabelhaft. Er ging fiedelnd durch den Raum, blieb aber bei den beiden jungen Herren nicht stehen. Er nahm an, dass sie weder besondere Programmwünsche noch Geld für Entlohnung derselben hätten.
    Es war schon das jeweils dritte Glas Egri Bikavér getrunken, als der Tenor aufhorchte. Nach einem Intro in Moll spielte der Geiger eine wunderschöne Melodie, die der Tenor gut kannte. Aber nicht mit diesem Intro und nicht mit dieser Weiterführung nach acht Takten. Nach kurzem Nachdenken hatte er die Lösung. Es war offenbar das Original einer Komposition, aus der die Amerikaner einen Schlager gemacht hatten. Er hatte den Song, als er in war, einige Male geklimpert. Er ging in einer Pause zum Primas und fragte, wie das Stück den hieße. Der dicke, glatzköpfige Mann in seiner zu kleinen, rot-weiß-grünen Weste war sichtlich erfreut, dass es einen Menschen, noch dazu einen jungen, gab, der sich für seine Musik interessierte. Genuschelt und mit starkem Akzent gab er Auskunft. Der Tenor verstand: »Avant d’amourir«. Ungefragt nannte der Primas auch den Komponisten: Georges Boulanger. Ja, dachte der Tenor, so muss dieses wunderbare Stück heißen: vor dem Verlieben.
    Wenige Tage danach ging er zum ersten Mal mit einer Kollegin, einem lyrischen Sopran, aus. Er meinte, und er sollte recht behalten, dieses bezaubernde Mädchen würde sich in diesem ungarischen Lokal
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