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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Autoren: Langen Müller
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hätte etwa einer der Anwesenden schon einmal ein Essensmuseum gesehen?
    Der Regisseur war sich einmal mehr darüber im Klaren, wie sehr die Kultur die »Gesellschaft« verlassen hat. Alle Anwesenden begannen die Gaumenverödung einiger ihnen bekannter bürgerlicher Mitmenschen zu denunzieren. Die Architektin berichtete, sie habe kürzlich in der Küche der Frau eines Stadtrates für Kultur jenes Einheits-, jenes Universalgewürz in der Dose stehen sehen, für das im Fernsehen, mit dem Argument, es ersetze alle anderen, ununterbrochen geworben werde. So sei die Kultur dieser beschissenen Stadt, sagte der Maler, genau so. Richtig beschissen.
    Der Regisseur fragte, ob sich der Maler diesen Stil, Gastgeber zu sein, überhaupt leisten könne.
    Nein, sagte der ganz offen, das könne er selbstverständlich nicht. Aber, fügte er hinzu, er könne es sich auch nicht leisten, kein guter Gastgeber zu sein. Er verkaufe die Mehrzahl seiner Bilder über die permanente Fress-Vernissage in seinem Haus, er honoriere den Kauf von Bildern mit seiner Bemühung am Herd. Sein Gastgebertum war Teil seines Geschäftsgebarens. Auch um den Preis, gelegentlich Leuten etwas servieren zu müssen, bei denen Erklärungen, was sie da aßen, sinnlos waren.
    Als der Regisseur sagte, er würde jetzt sofort ein Bild kaufen, um wieder eingeladen zu werden, meinte der Maler, der Ankauf wäre für weitere Einladungen keineswegs erforderlich. Man bot einander das Du an. Die Architekten notierten sich einen Premierentermin. Sie wären schon seit Jahren nicht mehr im Schauspiel gewesen, gestanden sie, jetzt würden sie wieder gehen.
    Einige Tage danach saß der Regisseur mit seinem Intendanten im Kaffeehaus. Sie hatten sich aus dem Theater zurückgezogen, denn es war ein Grundsatzgespräch erforderlich geworden. Der Intendant erklärte, einer verdienten Dame des Hauses eine Rolle schuldig zu sein und überdies das Gästebudget nicht weiter strapazieren zu können. Die Argumente gingen hin und her. Das schöne, gediegene, dem Theater nahe Kaffeehaus hat in seiner Geschichte gewiss schon viele derartige für den Weltgeist entscheidenden Gespräche mit anhören müssen.
    Die Debatte wurde unterbrochen durch das Auftauchen einer jungen Dame, der Gattin des führenden Wirtschaftsprüfers der Stadt, die im Vorbeirauschen dem Intendanten »nur ganz rasch« zu seiner miesen Inszenierung von »La Cenerentola« gratulieren wollte, die sie »hinreißend« und »entzückend« fand.
    Das kurze Intermezzo mit der theaterbegeisterten Dame endete mit einer Einladung zur Einweihungsparty des neuen Hauses des Wirtschaftsprüfers.
    Der Intendant musste einer Reise wegen zutiefst bedauern, er hatte an diesem Abend eine Verabredung mit der stellvertretenden Ballettmeisterin.
    Ob denn der eben vorgestellte neue Regisseur nicht vorbeischauen wolle, ganz zwanglos?
    Der zauderte.
    Die Gattin des Wirtschaftsprüfers meinte, ihm Hemmungen oder Komplexe nehmen zu müssen.
    »Wir machen auch gar keine Umstände!«, sagte sie.
    »Warum eigentlich nicht?, dachte er, sich leicht verneigend.
    Als er das fast allein gelegene Haus am Stadtrand sah, dort, wo sich ein gutes Wohnviertel langsam in alten, von Umweltschützern zäh verteidigten Wiesen verlor, fielen ihm die Erzählungen der Architekten beim Maleressen ein.
    Das also war eines der Häuser, deren Erbauer die mit teuerstem Materialaufwand hergestellte Schlichtheit mit Mangel an Physiognomie verwechselten.
    Er erinnerte sich an ein Bühnenbild des führenden Staatstheaters. Das hatte aus einem Edelstahlgerüst bestanden und war daraufhin, da der Edelstahl so auffällig nach Edelstahl aussah, mit Klosettpapier umwickelt und grau abgespritzt worden. Damals hatte er angemerkt, das hätte man mit einem preisgünstigeren Holzgerüst auch machen können. Aber derartige Bemerkungen galten immer schon als unkünstlerisch.
    Die freundlichen, reichen Wirtschaftsprüfer hatten auch innen in auffälliger Weise keine Umstände gemacht.
    Da mussten lange, planende und abwägende Gespräche geführt worden sein, bis man sich entschlossen hatte, beim exklusiven Partyservice Schweinebraten, Knödel, Kraut- und Kartoffelsalat zu ordern. Der Regisseur versuchte, den Gedankengängen der Hausleute nachzuspüren. Sollte der Eindruck erweckt werden, zur Prasserei wäre nach dem Hausbau nicht mehr genug übrig, so reich wäre man an seiner Klientel wiederum auch nicht geworden? Oder sollte der Eindruck erweckt werden, ein auch noch so guter Geschäftsgang
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