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Paradies

Paradies

Titel: Paradies
Autoren: Liza Marklund
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auf das Dach, öffnete meine Tasche.
    Schulterstütze und Abzug lagen in einem Futteral. Rohr, Zielfernrohr, Schalldämpfer und Verschlussstück in dem anderen. Ich nahm die Schulterstütze und schraubte den Lauf daran fest. Montierte unten einen Beschlag und schob das Zielfernrohr auf die Schiene. Schließlich schraubte ich den Schalldämpfer an das Rohr. Bei der kurzen Distanz war kein Stativ erforderlich.
    Ich legte die linke Hand zum Abstützen des Laufs auf den Dachfirst, legte das Gewehr auf die Hand, eine Remington Sniper mit Plastikarmstütze.
    Sie kamen gemeinsam, zu dritt, schwarz in dem gelben Licht, Ratko ein wenig hinter den beiden anderen, und kämpften gegen den Wind vom Meer.
    Den Ersten erwischte ich am Kopf, das Eintrittsloch lag ziemlich weit oben an der Seite. Eine Sekunde für das Durchladen, der Zweite fiel. Noch eine Sekunde, und Ratko war verschwunden, wie vom Sturm verschluckt.
    Ich rutschte vom First herunter, drückte die Waffe schnell in die Tasche und beeilte mich runterzukommen, um nicht in der Falle zu sitzen.
    Aber die Gewalt ließ mich im Stich. Ich musste fliehen. Meine Kraft schwand in der Krankheit.
    Als der richtige Augenblick gekommen war und ich wieder auf den Beinen war, nahm ich Verbindung zu ihm auf und bestimmte einen Treffpunkt.
    Ich wusste, dass er kommen würde.
    Aber die Gewalt war nicht auf meiner Seite.
    Der Platz war voller Menschen, mein Aussichtsposten auf dem Dach des Kulturhauses war unbrauchbar.
    Ich musste ihn stattdessen auf ebener Erde erledigen.
    Als er mir seine Pistole in den Nacken setzte, wusste ich, dass ich gewonnen hatte, egal was passieren würde.
    »Das war’s dann«, flüsterte er. »Du hast verloren.«
    Er irrte sich. Pathetisch zischte er noch etwas.
    »Bijeljina«, flüsterte er anschließend, »erinnerst du dich an Bijeljina?«
    Ich riss mich los, zog meine Pistole, aber ein Kinderwagen war mir im Weg. Er schlug mich, sodass ich meine Waffe verlor, sie rutschte über die Platten weg, ich sah meine letzte Chance schwinden und spürte die harte Kälte im Nacken.
    Ich sprach das Urteil, das Erbe von Gewalt, Schuld und Scham.
    »Du kannst niemals gewinnen«, flüsterte ich. »Ich habe dein Leben zerstört.«
    Ich sah ihn am Rande meines Blickfelds.
    Lächelte.
    Anklage, Urteil, Strafe.
    Absolution.

EPILOG
    Es hatte wieder angefangen zu schneien. Große, weiche Flocken schwebten langsam auf den Asphalt herab. Annika ging zum Rålambshovsvägen hinunter. Sie war ruhig und schwer, hatte den ganzen Tag gegessen. Es zog und zerrte in ihrem Kreuz, ihr war ein wenig übel. Das war das Kind, der Junge mit den hellen Locken. Sie ging zum Taxistand vor der Imbissbude, setzte sich auf den Rücksitz und bat den Taxifahrer, sie nach Vaxholm zu fahren.
    »Da sind um die Uhrzeit aber riesige Staus«, meinte er.
    »Das macht nichts«, erwiderte Annika. »Ich habe alle Zeit der Welt.«
    Sie brauchten vierzig Minuten, um aus der Stadt zu kommen. Annika saß auf dem warmen Rücksitz, das Radio spielte leise alte Hits von Madonna, die weihnachtlich dekorierten Schaufenster glitten vorbei, aufgedrehte Kinder zeigten voller Eifer auf mechanische Wichtelmännchen und Spielzeuge aus Plastik. Sie versuchte einen Blick in den Himmel zu werfen, aber er war hinter dem Schnee und den ganzen bunten Lichtern nicht zu erkennen.
    Ich frage mich, ob sie auf anderen Planeten auch eine Art Weihnachten feiern, dachte sie.
    Auf der Autobahn wurde der Verkehr dünner, die Landstraße Richtung Küste war dann fast wie ausgestorben. Die Felder waren weiß verschneit und hellten den dunklen Nachmittag auf, die Bäume hatten schwere Kleider bekommen und ließen ihre Äste zur Erde hängen.
    »Wo soll ich Sie rauslassen?«
    »Östra Ekuddsgatan«, sagte sie. »Würden Sie bitte zuerst vorbeifahren, ich möchte sehen, ob sie zu Hause sind.«
    Sie zeigte ihm, wo er abbiegen musste. Als das Taxi die steile Rechtskurve fuhr, wurde sie nervös. Sie bekam einen trockenen Mund, und ihre Handflächen wurden feucht, ihr Herz klopfte.
    Sie streckte den Hals, um besser sehen zu können, welches Haus war es?
    Dort. Sie sah es. Ein Backsteinbau, sein grüner Toyota stand in der Einfahrt. Das Licht war an, also war jemand zu Hause.
    »Soll ich hier anhalten?«, erkundigte sich der Fahrer.
    »Nein!«, antwortete sie. »Fahren Sie weiter!«
    Sie warf sich zurück und sah weg, als sie vorbeifuhren.
    Die Straße endete, und sie gelangten wieder auf die Hauptstraße.
    »Und jetzt?«, fragte der Fahrer.
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