Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paradies

Paradies

Titel: Paradies
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
verteidigen. Die Zeit war reif, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen.
    Entweder oder, dachte Anders Schyman.
    »Bengtzon! Telefon für Sie!«
    Es knackte und rauschte, als Tore Brand ihr den Hörer durch die Glasluke reichte.
    »Was gibt’s?«, fragte Annika.
    »Vom 1. Januar an sind Sie Reporterin«, sagte Anders Schyman.
    »Sie können wählen zwischen der Mittelschicht, der Nachtschicht, der Kriminalredaktion oder Vermischtes.«
    Bis auf Tore Brands Murren im Hintergrund blieb es vollkommen still am anderen Ende der Leitung.
    »Hallo?«, sagte Schyman.
    »Kriminalredaktion«, sagte Annika. »Ich möchte in der Kriminalredaktion arbeiten.«

Sie haben mich zur Verantwortung gezogen
    Sie haben mich eingeholt. Gemeinsam formulieren sie die Anklage gegen mich, das Urteil, meine Strafe.
    Gewalt, Schuld und Scham. Meine drei Schildknappen, meine Triebfedern, meine Leitsterne.
    Seid willkommen!
    Gewalt, die du als Erste auf den Plan getreten bist, mein Schicksal geformt hast, ich habe dich in mein Herz geschlossen, dich zu einem Teil von mir gemacht.
    Der Frühlingstag, es hatte den ganzen Vormittag geregnet, alles war grau und nass. Am Nachmittag klarte es auf, schräg stand die Sonne über der Stadt.
    Ich lief los, um auf dem Markt noch etwas einzukaufen. Das Gemüse sah erbärmlich aus, und ich brauchte lange, um mich zu entscheiden.
    Ich sah die Männer zwischen den Häusern, schwarze Kleidung, schwarze Barette.
    Ich wusste nicht, dass du gekommen warst, kannte das Gesicht der Gewalt noch nicht.
    Ich stand vor Stojiljkovics Café, als der Mann namens Ratko meinen Vater aus der Bäckerei zerrte. Ich sah, wie er die Pistole an die Schläfe meines Vaters setzte und abdrückte. Ich sah Papi auf der Straße zusammenbrechen, ich hörte die Schreie meiner Mutter. Ein anderer Mann in Schwarz schoss meiner Mutter in die Brust. Meine Schwägerin, Mariam, die Frau meines Bruders, sie war nur ein paar jähre älter ah ich, sie schossen ihr in den Bauch, immer wieder, sie war schwanger.
    Dann holten sie Petar heraus, meinen kleinen Bruder, meinen Sonnenschein, erst neun Jahre alt. Er schrie, oh, wie er schrie, und dann erblickte er mich vor Stojiljkovics Café und riss sich los, er lief und schrie, Aida, Aida, hilf mir, Aida, er streckte seine Hände aus, ich sah seine abgrundtiefe Angst.
    Und ich versteckte mich.
    Ich verkroch mich hinter dem Zaun bei Stojiljkovics Café, sah durch eine Ritze, wie Ratko seine Waffe hob, sah ihn zielen und schießen.
    Mein Petar, mein kleiner Bruder, wie kann mir jemals verziehen werden?
    Du lagst im Dreck auf der Straße und riefst meinen Namen, Aida, Aida, hilf mir, meine Aida, und ich traute mich nicht zu dir, ich wagte es nicht, ich weinte hinter dem Zaun bei Stojiljkovics Café und sah Ratko näher kommen, sah, wie du ihm dein Gesicht zuwandtest, ich sah den Mann zielen und schießen.
    Verzeih, Petar, verzeih.
    Du hättest nicht allein sterben müssen.
    Verzeih mir meinen Verrat, willkommen Schuld, willkommen Scham.
    Jetzt wart ihr an der Reihe.
    Und ich brauchte Gewalt, um euch die Stange halten zu können.
    Die Schuld sühnte ich mit dem Tod, der richtigen Art von Tod, dem Tod von Serben. Aber das half nicht. Mit jedem Toten wurde mehr Schuld geboren, mehr Hass, die Scham eines anderen, der einen Verrat beging.
    Bei mir war die Scham allgegenwärtig, hauste in jedem Atemzug, jedem Augenblick meines Lebens, denn die Scham bestand darin, dass ich lebte.
    Dann erfuhr ich, dass Ratko, der Anführer der schwarzen Panter, sich in Schweden aufh
ielt. Als ich verwundet wurde, war es so weit.
    Ich musste stark sein, um die Gewalt gegen ihren Urheber zu wenden, gegen den Mann, der sie in meine Brust eingepflanzt hat. Ich verschaffte mir Zugang zu seinen Kreisen, schlief mit seinen Männern, schlief mit ihm, aber der Tod war nicht genug, er sollte auch Schuld und Scham zu spüren bekommen, und deshalb sabotierte ich seine Arbeit, zerstörte ich sein Leben.
    Es tut mir Leid um die jungen Männer aus dem Kosovo, diese armen Idioten, die ich dazu überredet habe, mitzukommen. Sie sollten nur mit dem Sattelschlepper wegfahren, alles andere würde ich regeln, und dann stahlen sie den falschen Wagen. Der Sattelschlepper mit den Zigaretten steht noch immer im Stockholmer Freihafen, was für eine Ironie.
    Aber die Gewalt ließ mich im Stich, gehorchte mir einfach nicht.
    Es fing mit dem furchtbaren Sturm an, der an Gebäuden und Menschen zerrte und riss.
    Ich musste unheimlich vorsichtig sein, kletterte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher