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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor
Autoren: Michael Moorcock
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Kapitel 1
     
     
    Der Weltraum ist unendlich.
    Er ist dunkel.
    Der Weltraum ist neutral.
    Er ist kalt.
     
    *
     
    Die Sterne nehmen nur einen minimalen Raum im Weltall ein. Hier ein paar Milliarden. Dort ein paar Milliarden. Als ob sie Tröstung in ihrer Anzahl suchten.
    Den Weltraum kümmert es nicht.
     
    *
     
    Der Weltraum erschreckt nicht.
    Der Weltraum tröstet nicht.
    Er schläft nicht; er wacht nicht; er träumt nicht; er hofft nicht; er fürchtet nicht; er liebt nicht; er haßt nicht; er kennt keines dieser Gefühle.
    Den Weltraum kann man nicht messen; nicht fassen; nicht begreifen; nicht erklären.
    Das Weltall existiert.
     
    *
     
    Der Weltraum ist nicht groß und nicht klein. Er lebt nicht und kann nicht sterben. Er stellt weder eine Lüge noch eine Wahrheit dar. Der Weltraum ist eine kalte, sinnlose Tatsache.
    Der Weltraum ist die Abwesenheit von Zeit und Materie.
     
    *
     
    Durch diese Stille bewegt sich ein winziges Metallgeschoß. Es bewegt sich so langsam, daß es stillzustehen scheint. Es ist ein kleines einsames Objekt. An seinen eigenen Ausmaßen gemessen befindet es sich von seinem Ursprungsplaneten auf einer sehr langen Reise. In der völligen Schwärze scheint es schwach zu leuchten. In dieser großen leblosen Wüste enthält es Leben. Ein paar Gasschwaden umgeben es. Und in dem Raumschiff ist Ry an.
    Ryan trägt eine saubere hellgraue Kombination, die sich von den ihn umgebenden Schaltpulten in grau und grün deutlich abhebt. Ryan selbst ist bleich und hat fast graues Haar.
    Ryan ist ein großer Mann mit buschigen grauschwarzen Augen brauen, die sich über der Nasenwurzel treffen. Er hat graue Au gen und volle, feste Lippen, die im Moment eng aufeinander gepreßt sind. Er scheint in bester körperlicher Verfassung zu sein. Ryan weiß, daß er in Form bleiben muß.
     
    *
     
    Ryan überprüft das Raumschiff. Er prüft die Hauptkontrollanla ge, die Koordinaten, die Meßgeräte für den Verbrauch und die Gerä te, die die Regeneration anzeigen, und schließlich überprüft er all diese Angaben mit denen des Bordcomputers.
    Er ist zufrieden.
    Alles ist in Ordnung, genau wie es sein sollte.
    Ryan begibt sich an das Pult nahe dem riesigen Hauptbildschirm des Schiffes. Obwohl eingeschaltet, zeigt der Schirm kein Bild. Sein grünes Licht fällt auf das Kontrollpult. Ryan setzt sich und langt nach einem Mikrofon auf dem Pult. Er drückt eine Taste und spricht mit klarer, fester Stimme. Er macht die übliche Einleitung für seinen Bericht:
    »Tag eintausendvierhundertdreiundsechzig. Raumschiff ›Hope Dempsey‹ auf dem Wege nach München 15040. Geschwindigkeit konstant auf Marke 9 von c. Alle Systeme funktionieren erwartungsgemäß.
    Keine Abweichungen. Uns geht es gut.
    Gezeichnet: Ryan der Kommandant.«
    Die Durchsage wird in die Speicher des Schiffes aufgenommen und automatisch zur Erde gesendet.
    Dann öffnet Ryan eine Schublade und entnimmt ihr ein großes, rotes Buch. Es ist sein persönliches Logbuch. Er nimmt einen Kugelschreiber aus der Jackentasche seiner Kombination, kratzt sich am Kopf und schreibt langsam und sorgfältig. Zuerst schreibt er das Datum: 24. Dezember 2005 n. Chr. Er nimmt einen zweiten Stift aus der Tasche und unterstreicht dieses Datum rot. Er schaut auf den leeren Bildschirm und scheint eine Entscheidung zu treffen.
     
    Er schreibt:
    Die Stille dieses ungeheuren Raumes erschreckt mich.
    Er unterstreicht auch diesen Satz rot.
    Er schreibt:
    Ich bin einsam. Ich unterdrücke eine verzweifelte Sehnsucht.
    Ich weiß jetzt, daß ich es nicht ertrage, allein zu sein. Ich wünsche mir fast ein Unglück, um wenigstens einen von ihnen aufwecken zu können.
    Ryan reißt sich zusammen. Er atmet tief ein und beginnt eine förm lichere Einleitung zu seinem alle acht Stunden fälligen Bericht.
    Als er fertig ist, steht er auf, legt das rote Logbuch an seinen Platz zurück, steckt sorgsam seinen Stift wieder in die Tasche und begibt sich zum Hauptaggregat, um einige Instrumente nachzustellen.
    Er verläßt die Steuerkabine, betritt einen kurzen Flur und öffnet eine Tür.
    Er ist in seinen eigenen Räumen. Es ist ein sauberes, kleines Appartement. An einer Wand ist ein Kontrollschirm, der ihm das Innere der Steuerkabine zeigt. An der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine Schlafstelle.
    Er zieht sich aus, legt sich hin und nimmt ein Schlafmittel. Er schläft. Sein Atem ist anfänglich tief und regelmäßig.
     
    *
     
    Er betritt den Ballsaal. Es ist dämmerig. Die großen
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