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Panic

Panic

Titel: Panic
Autoren: Mark T. Sullivan
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über den Bach. Ich konnte mich nicht drehen, um sie abzuschießen. Ich saß in der Falle.
    Geduckt kam sie die Böschung heraufgeschlichen, wachsam, wobei die konzentrierte Anstrengung ihre Schulterblätter hervortreten ließ. Sie entblößte die Zähne und leckte sich das Maul, als ich einen fruchtlosen Versuch unternahm, mich samt Bogen zu ihr umzudrehen. Es war vorbei. Ich wusste es.
    Es gibt Momente im Leben, die unerklärlich sind. Dies war so einer. Im Bachbett unter mir trat in diesem Augenblick ein Zehnender zwischen den Zedern hervor und blieb in der Lichtung stehen. Helles, schaumiges Blut, Lungenblut, bildete glänzende Blasen um sein Maul. Ich weiß nicht, ob es Ryan war, der das Tier angeschossen hatte. Vielleicht war es auch nur die Energie, die ein verwundetes Tier aussandte, das um sein Leben kämpfte. Ich weiß es nicht.
    Ich weiß nur, dass der Hirsch da war; und was mich rettete, war der Geruch seines sauerstoffgetränkten Lungenbluts; die Kraft des Lebenssafts, die aus dem Hirsch sickerte, schien Ryans Einfluss über die Wölfin zu unterbrechen. Sie blieb abrupt stehen und gehorchte einem Instinkt, der seit vielen tausend Generationen in ihr verwurzelt war. Sie drehte den Kopf, sodass das blinde Auge mir zugewandt war, und schnupperte in die Luft. Tief geduckt, bereitete sie den Angriff vor und pirschte mit zwei katzengleichen Schritten auf den Hirsch zu.
    Die Wölfin würde nie erfahren, dass mein Pfeil ihre Lunge und ihr Herz durchbohrt hatte. Sie rannte los, triumphierend und voller Zuversicht, in dem verwundeten Tier eine leichte Beute zu finden.
    Der Hirsch stellte sich ihr mit gesenktem Kopf entgegen und schüttelte drohend sein Geweih. Zehn Meter vor ihm versagten der Wölfin die Beine, und sie fiel kopfüber in den Schnee, wo sie zuckend verendete. Mit angstgeweiteten Augen sprang der Hirsch davon.
    Ich erreichte rechtzeitig den Hügelkamm, um, weit unter mir, Ryans Hassanfall zu hören, als er seine tote Verbündete fand. Der flockige Schnee hinter mir reagierte, als näherte sich ein Hurrikan.
    Zum ersten Mal an diesem Morgen musste ich lächeln. Über eine Woche lang hatten wir als Jäger agiert, während Ryan das Wild spielte. Und indem er diese Strategie übernahm, hatte er unsere Jagd vereitelt, uns verwundet und getötet.
    Jetzt belegten Hirsch und Krähe meine Gedanken. Ich würde das Tempo bestimmen und das Gelände wählen. Er sollte mich jagen, bis ich ihm wieder eine Falle stellen konnte. Ich würde nichts unversucht lassen, bis einer von uns tot wäre.
    Ich rannte über den Hügelkamm und dann in einer Schleife wieder zurück, wobei ich meine eigene Spur und die von Ryan hinter mir kreuzte, bevor ich im Flussbett wieder hügelabwärts lief, die gefrorenen Stufen hinuntersprang, immer drei auf einmal nehmend. Auf halbem Weg nach unten bewegte ich mich vorsichtig zehn Schritte in der eigenen Spur, die ich eine halbe Stunde zuvor hinterlassen hatte, bevor ich einen weiten Satz zur Seite machte, mich die Böschung hinauf kämpfte.
    Ich sprang den Abhang hinunter, kroch am Überhang entlang zurück und duckte mich unterhalb der schmalsten Stelle ins Dickicht. Ich holte einen Pfeil heraus, meinen vorletzten, legte ihn ein und hielt den Bogen lose in die Richtung, aus der ich Ryan erwartete. Er hatte meinen Pfeil schon einmal vorausgeahnt, doch der Tod der Wölfin reichte hoffentlich aus, um seine Konzentration zu stören.
    Lange Zeit war kein Laut zu hören. Dann begann der Schnee entlang der Felsplatte über mir zu flattern, wie der Saum einer dünnen Gardine, die von einer leichten Sommerbrise erfasst wird.
    Der Anblick wirkte beklemmend, denn die Veränderung war so subtil, so zart und doch so gewollt, dass mir klar war, dass er mich jetzt in seiner Welt wusste. Zwar waren meine Fähigkeiten im Vergleich zu den seinen bescheiden, aber trotzdem akzeptierte er mich als seinesgleichen und jagte mich mit Respekt, langsam und methodisch.
    Mein Herzschlag war mir den ganzen Morgen ein Trost gewesen. Jetzt ging mir das beständige Pochen auf die Nerven. Ich spannte den Bogen und wartete. Dabei bemühte ich mich, kühlen Kopf zu bewahren, ihn zu sichten, ehe er mich sah. Bilder kreisten in meinem Kopf, zuerst schnell, dann langsamer. Das ausgezehrte Gesicht meines Vaters in der Leichenhalle. Patrick, der mich anbettelte, nach Hause zu kommen. Phil, der um Butch weinte. Lizzy Ryan, die in die letzte Himmelsbläue ihres Lebens starrte.
    Ryan kniete zwischen zwei Felsen, fünfunddreißig
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