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NeuGier

NeuGier

Titel: NeuGier
Autoren: Alexa McNight
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Eins
    Kate verließ den Highway und bog in den Waldweg ein. Nach der ersten Gabelung bremste sie den SUV auf Schrittgeschwindigkeit herunter und holperte über den von Steinen und Wurzeln durchbrochenen Boden. Das Licht der Abendsonne schien durch die Bäume und verlieh der Umgebung einen Touch, den Kate jedes Mal wieder als zauberhaft empfand. Moos wucherte an Felsen und toten Stämmen. Lichtungen, auf denen Gräser im Wind wippten, unterbrachen den Baumwuchs. Dies war ein Ort, an dem man Feen, Gnome und Einhörner vermutete.
    Bald erkannte sie die Umrisse des Hauses und Henrys Jeep davor. Er parkte am selben Fleck wie am vergangenen Wochenende und war vermutlich nicht ein einziges Mal während ihrer Abwesenheit bewegt worden.
    Im Cottage schlug ihr der gewohnte Geruch von abgestandenem Leben und unbewohnten Räumen entgegen. Sie stellte ihre Tasche in der Diele ab und ging ins Wohnzimmer, um die Verandatür zu öffnen und Sauerstoff ins Haus zu lassen. Einen Moment verweilte sie vor der offenen Tür, betrachtete den so anheimelnd verwilderten Garten und den dahinter beginnenden Wald. Als sie sich zum Gehen umwandte, fiel ihr Blick auf den Kamin und die Asche darin. Im Korb davor lagen die beiden Scheite, welche sie am vergangenen Sonntag nicht benötigt hatte. Sie packte sie neben den Kamin und nahm den Korb mit nach draußen, um ihn später mit neuem Holz zu füllen.
    Wieder in der Diele stieg sie die Holztreppe hinauf bis ins erste Obergeschoss, wo die Schlafzimmer lagen. Sie ließ die Tasche auf dem Bett ihres Zimmers und ging weiter ins Dachgeschoss, wo sich Henrys Atelier befand.
    Es dauerte, bis er auf ihr Klopfen mit seinem knurrigen »Ja, doch« reagierte. Kate öffnete und trat ein.
    Henry lag auf der Couch, die Beine überkreuzt. Eine Hand über der Stirn haltend, massierte er die Schläfen mit Daumen und Zeigefinger.
    »Hast du wieder alle Fenster aufgerissen?«, begrüßte er sie, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und setzte sich auf.
    Kate lehnte sich in den Türrahmen. »Natürlich«, entgegnete sie versucht gelassen, doch es bedurfte einiger Überwindung, ihren Tonfall nicht seinem anzupassen.
    Henrys Schaffenskrise dauerte nun schon Monate an, und Kate wusste nicht, wie lange sie es noch aushielt. An jedem verdammten Freitag kam sie hierher, in der Hoffnung, dass er seine miserable Laune überwand, und fuhr an jedem Sonntag enttäuscht zurück in die Stadt.
    »Was ist?«, knurrte er, da sie sich nicht bewegte, nichts weiter sagte und auch den Blick nicht von ihm nahm. »Wenn du dich jetzt über irgendwas aufregen willst, hau am besten wieder ab. Da hab ich keinen Nerv zu!«
    Oh, er ist also angriffslustig!, schoss es Kate durch den Kopf. Das war doch mal eine Abwechslung zur Lethargie, in der er sonst vor sich hindümpelte. Um sich unter Kontrolle zu halten, verschränkte sie die Arme, spürte jedoch, wie sich ihre Enttäuschung mehr und mehr in Ärger wandelte. »Hau am besten wieder ab«, hatte er gesagt. Dass sie nicht der Grund für seine Laune war, sondern seine Unfähigkeit zu malen, war in Anbetracht dieser Aufforderung und dem Ausdruck in seiner Miene absolut kein Trost.
    »Ich will mich nicht aufregen«, sagte sie und versuchte, das Vibrieren ihrer Stimme zu unterdrücken. »Deshalb haue ich jetzt wieder ab. Ich kann meine Wochenenden besser verbringen, denke ich.« Damit wandte sie sich zur Treppe um. Aber Henrys Worte ließen sie erstarren.
    »Na sicher doch!«, rief er ihr nach. »Geh und feil an deinem Kitsch!«
    Kate fuhr herum und lief ins Atelier. Henry war aufgestanden, starrte ihr entgegen. Er schien auf alles Mögliche gefasst, nur nicht darauf, dass sie sich die offene Flasche mit der roten Farbe griff und gegen die blanke Leinwand schleuderte. Einen unförmigen, triefenden Klecks hinterlassend, schlug das Ding auf den Boden und verteilte das Rot über die Holzdielen.
    »Untersteh dich!«, schrie sie und wandte sich zu ihm um. »Untersteh dich, meine Arbeit abzuwerten, während du selbst seit einer Ewigkeit nicht in der Lage bist, auch nur einen Tupfer zu produzieren. Für wen hältst du …«
    Weiter kam sie nicht, denn Henry war mit wenigen Schritten bei ihr, schloss eine Hand um ihre Kehle, trieb sie gegen eine Wand und funkelte sie an. »Vergleich deinen Schrott nie wieder mit meinen Bildern. Schau, wo du stehst und wo ich!«
    »Ich sehe sehr genau, wo du stehst«, keuchte Kate und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Dass ihr das nicht gelang, schürte ihren
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