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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium
Autoren: Lauren Oliver
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Schultern. »Ach, weißt du, das ändert sich dauernd. Leute kommen und gehen, wechseln zwischen verschiedenen Stützpunkten hin und her. Im Moment wahrscheinlich etwa zwanzig, aber im Juni waren wir sogar vierzig Springer. Im Winter schließen wir diesen Stützpunkt hier ganz.«
    Ich nicke, obwohl mich ihre Rede von Stützpunkten und Springern verwirrt. Alex hat mir kaum etwas von der Wildnis erzählt, allerdings sind wir einmal dort gewesen: das erste und einzige Mal, dass ich vor unserer großen Flucht in unkontrolliertem Land war.
    Vor meiner großen Flucht.
    Ich bohre mir die Fingernägel in die Handflächen.
    »Alles in Ordnung?« Raven sieht mich durchdringend an.
    »Ich könnte ein wenig Wasser vertragen«, sage ich.
    »Hier«, sagt sie, »halt mal.« Sie reicht mir den Teller, den sie in der Hand hat: Zwei kleine runde Fladen, wie Pfannkuchen, aber dunkler und körniger, liegen darauf. Sie nimmt eine verbeulte Suppendose von einem Regalbrett in der Ecke, schöpft etwas Wasser aus einem der Eimer unter der Spüle und bringt es mir. Ich kann nur hoffen, dass der Eimer nicht auch als Spucknapf dient.
    »Nicht leicht, hier draußen Gläser aufzutreiben«, sagt sie, als ich beim Anblick der Suppendose die Augenbrauen hochziehe, und fügt dann hinzu: »Die Bomben.« Sie sagt es, als stünde sie in einem Lebensmittelgeschäft und würde Grapefruit sagen, so, als wäre es das Alltäglichste der Welt. Sie setzt sich wieder und flicht geistesabwesend eine Haarsträhne zwischen ihren langen braunen Fingern.
    Ich hebe die Suppendose an die Lippen. Der Rand ist gezackt und ich muss ganz vorsichtig trinken.
    »Man lernt, hier draußen klarzukommen«, sagt Raven fast stolz. »Wir können aus dem Nichts etwas erschaffen – aus Resten, Abfall und Knochen. Du wirst sehen.«
    Ich starre auf den Teller in meinem Schoß. Ich habe Hunger, aber die Wörter Abfall und Knochen beunruhigen mich.
    Raven versteht offenbar, was ich denke, denn sie lacht. »Keine Sorge«, sagt sie, »das ist nichts Ekliges. Ein paar Nüsse, ein bisschen Mehl, etwas Öl. Es ist sicher nicht das Beste, was du je in deinem Leben gegessen hast, aber davon kommst du zu Kräften. Wir sind etwas knapp mit Vorräten, seit einer Woche haben wir keine Lieferung mehr bekommen. Die Flucht macht uns echt das Leben schwer, weißt du.«
    »Meine Flucht?«
    Sie nickt. »Während der letzten Woche standen die Zäune unter Strom, außerdem wurden die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze verstärkt.« Ich klappe den Mund auf, um mich zu entschuldigen, aber sie lässt mich nicht zu Wort kommen. »Das ist schon okay. Das machen sie immer, wenn es einen Ausbruch gibt. Sie fürchten jedes Mal, es könnte zu einem Massenaufstand kommen und die Leute würden scharenweise in die Wildnis überlaufen. In ein paar Tagen wird die Aufmerksamkeit wieder nachlassen, dann kriegen wir neue Vorräte. Und in der Zwischenzeit …« Sie zeigt mit dem Kinn auf den Teller. »Nüsse.«
    Ich beiße ein kleines Stückchen von dem Pfannkuchen ab. Er schmeckt eigentlich gar nicht schlecht: geröstet und knusprig und ein kleines bisschen fettig. Auf meinen Fingern bleibt ein dünner Ölfilm zurück. Er schmeckt viel besser als die Brühe und das sage ich Raven auch.
    Sie strahlt mich an. »Ja, Roach ist der Koch des Hauses. Er zaubert aus allem eine leckere Mahlzeit. Na ja, er zaubert aus allem eine essbare Mahlzeit.«
    »Roach? Ist das sein richtiger Name? Kakerlake?«
    Raven hat einen Zopf fertig, wirft ihn über die Schulter und beginnt einen neuen zu flechten. »So richtig wie jeder andere Name«, sagt sie. »Roach lebt schon sein ganzes Leben in der Wildnis. Er kommt ursprünglich von einem der Stützpunkte weiter südlich, aus der Nähe von Delaware. Irgendjemand da unten muss ihm diesen Namen gegeben haben. Als er hier hochkam, war er Roach.«
    »Und was ist mit Blue?«, frage ich. Ich habe den ersten Pfannkuchen geschafft, ohne dass mir schlecht geworden ist, und stelle den Teller neben dem Bett auf den Boden. Ich will mein Glück nicht herausfordern.
    Raven zögert nur einen Sekundenbruchteil. »Sie ist hier geboren, in diesem Stützpunkt.«
    »Und ihr habt sie nach ihren blauen Augen benannt«, sage ich.
    Raven steht unvermittelt auf und wendet sich ab, bevor sie sagt: »Mh-mhm.« Sie geht zu einem der Regale neben der Spüle und schaltet eine der batteriebetriebenen Lampen aus, so dass das Zimmer noch weiter in Dunkelheit versinkt.
    »Was ist mit dir?«, frage ich.
    Sie zeigt auf ihre
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