Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Operation Blackmail

Operation Blackmail

Titel: Operation Blackmail
Autoren: Jenk Saborowski
Vom Netzwerk:
aber die Handschellen hielten ihn zurück. Seine
Pupillen waren jetzt geweitet, er atmete durch die Nase, ein klares Zeichen für
echten emotionalen Stress. Seine Tochter zu benutzen war Solveighs letzter
Ausweichplan, falls alle anderen Verhörmethoden versagt hatten. Sie in
Gewahrsam zu nehmen, lautete der geheime Auftrag, den sie Agent Pollux nach
ihrem Ausflug in den Bayerischen Wald gegeben hatte und den sie so lange wie
möglich vor Thater geheim gehalten hatte. Leider würde eine reine
Familienzusammenführung nicht ausreichen, um aus Leonid einen Verräter zu
machen. Solveigh gab Pollux das Zeichen zum Fortfahren. Der Engländer nickte
und fesselte die Hände der jungen Frau hinter ihrem Rücken. Nastasia Mikanas
konnte nur geradeaus in die Kamera starren. Direkt in die Augen ihres Vaters.
Pollux trat kurz aus dem Bild, um den Blickwinkel neu einzustellen. Er zoomte
auf ihr Gesicht, ihr Oberkörper füllte nun beinahe den gesamten Bildschirm.
Solveigh konnte die einzelnen Poren ihrer Nase erkennen, ihre Augen waren
voller kleiner roter Äderchen.
    Pollux hielt Nastasia einen Revolver an die Brust. Solveigh schaute
zu Leonid hinüber, aber er war noch immer nicht gebrochen. Auf dem Monitor
rollten Tränen aus ihren Augen, aber sie schluchzte nicht, blickte geradewegs
in den Tod. Eine starke Frau. Noch einmal formte sie das Wort »Papa« mit
zittrigen Lippen. Der Stahl von Pollux’ Waffe presste eine kleine Kuhle in den
Pullover der jungen Frau, genau über dem Herzen.
    Solveigh gab Pollux das Zeichen. Er drückte ab. Der Knall der Waffe
kam scheppernd aus den Lautsprechern des Fernsehers. Der Pullover verfärbte
sich wie von einem größer werdenden, dunkelroten Tintenklecks.
    Leonid schrie: »Njeeeeeet!« Tränen liefen über sein Gesicht, seine
Augen traten hervor aus Trauer und Wut, seine Halsschlagader pulsierte wie eine
kleine, lange Wurst. Er hatte soeben mit angesehen, wie seine Tochter
erschossen worden war. Und er würde sich selbst die Schuld geben, das zumindest
war Solveighs Kalkül. Er hörte nicht auf, etwas zu schreien, auf Russisch,
Solveigh verstand kein Wort. Aber es war noch nicht die Antwort, auf die sie
wartete. Pollux zerrte die zusammengesackte Frau vom Stuhl und kehrte zurück,
wartete auf das nächste Zeichen von Solveigh. Sie trat neben den russischen
Agenten.
    Â»Leonid, ich bitte Sie. Wir brauchen nur den Namen.«
    Seine Miene war jetzt hart wie Stein. Er trauerte, eindeutig, aber
er verschloss seine Gefühle in einem Block aus Granit. Zeit für den zweiten
Akt, dachte Solveigh verbittert. Erneut nickte sie Pollux zu, woraufhin dieser
verschwand. Leonid starrte auf den Bildschirm, er atmete heftig. Ahnte er, was
als Nächstes kommen würde? Oder traute er es ihnen nicht zu? Solveigh war sich
selbst nicht sicher, ob sie es sich zugetraut hätte. Mein Gott, hoffentlich ist
es das wert, dachte sie, als wieder Bewegung auf dem Bildschirm auszumachen
war. Pollux trat von der rechten Seite ins Bild, er hatte den Zoom zuvor wieder
so eingestellt, dass die Kamera die gesamte Szene erfasste. Er ging langsam,
als ob er etwas hinter sich herzog. Solveigh ahnte, was das bedeutete. Er ist
noch kleiner, als ich befürchtet hatte.
    Als Pollux den Stuhl erreicht hatte, wurde sichtbar, was er am Arm
hatte: einen kleinen Jungen, vielleicht zehn Jahre alt. Er war sehr schmächtig
und trug ein viel zu großes Werbe-T-Shirt eines großen Limonadenherstellers. Er
zierte sich, vor die Kamera zu treten, aber der Hüne ließ ihm keine Wahl.
Pollux setzte ihn auf den Stuhl, seine Beine waren zu kurz, um den Boden zu
erreichen, sie baumelten von der Sitzfläche. Erst jetzt schien er den
Bildschirm zu bemerken. Als er Leonid erblickte, hellte sich seine Miene auf.
Er strahlte: »Großvater!«, rief er in die Kamera und winkte. Pollux hatte ihm
die Hände nicht an den Stuhl gefesselt.
    Solveigh schaute zu Leonid. Er kämpfte sichtlich mit sich, gegenüber
seinem Enkelkind zeigte seine Fassade klare Risse. Noch intensiver als bei
seiner Tochter, lag eine Milde in seinen Augen, die echte Zuneigung bedeutete.
Leonid lief eine Träne über die rechte Wange. Das Zeichen für sie, es war an
der Zeit, es zu Ende zu bringen. Sie nickte Pollux zu.
    Pollux hielt dem Jungen seinen Revolver an den Kopf. Wie in Zeitlupe
spannte er den Hahn. Das Klicken der einrastenden Mechanik war klar und
deutlich über den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher