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Operation Blackmail

Operation Blackmail

Titel: Operation Blackmail
Autoren: Jenk Saborowski
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Da wird dir seine mildtätige Spende wohl kaum
eine große Hilfe sein.«
    Gut, zumindest antwortet sie, schöpfte Marcel zaghaft Hoffnung.
Jetzt bloß nicht zu früh auf sie eingehen, er hatte nicht vor, sich weiter als
unbedingt nötig in die Ecke des Boxrings treiben zu lassen, den sie Beziehung
nannten.
    Unbeirrt setzte Linda ihre Tirade fort: »Ich kann einfach nicht
verstehen, wieso das sein muss. Ein mittelloser Student, der nicht mal genug
Geld zum Kinderkriegen hat und der eher seine Eltern unterstützen sollte statt
umgekehrt. Ausgerechnet der braucht eine neue Kamera für fünftausend Euro?
Haben sie dir im Krankenhaus gleich das Kleinhirn mit rausoperiert?«
    Â»Linda, es war der Blinddarm. Meinem Kleinhirn geht es prächtig«,
versuchte Marcel sein Glück. Normalerweise waren sein markantes Kinn und das
schiefe Lächeln eine Kombination, der Frauen nicht widerstehen konnten. Vielleicht
gelang es ihm so, ein fingernagelkleines Loch in ihre Mauer aus Wut zu hämmern.
Genau da, wo sie gerade kurz ob ihrer eigenen Formulierung den Mundwinkel zu
einem Beinahe-Lächeln verzogen hatte.
    Â»Du hast dir also wirklich in den Kopf gesetzt, Fotoreporter zu
werden, statt Arzt? Und wie willst du damit unsere Familie ernähren? Was
verdient denn so ein Profi-Knipser?«, ätzte Linda.
    Marcel erahnte Sonnenstrahlen, die den Nebel zwischen ihnen
vertreiben könnten. Linda sprach gern über Geld, vor allem zur Finanzierung
ihrer künftigen Familienpläne.
    Â»Na ja«, setzte er an. »Das ist natürlich ganz unterschiedlich.
Manchmal, wenn man wirklich Glück hat, kann man schon mal mit einem Foto ein
paar Tausender machen.«
    Â»Wer ist denn so bescheuert und zahlt für ein einziges Bild so viel
Geld?«, echauffierte sich Linda.
    Die Auseinandersetzung war noch nicht vorbei, und Marcel ging ihr
simples Gemüt auf die Nerven. Vielleicht sollte er sich doch unter seinen
Kommilitoninnen nach einer neuen Freundin umsehen, statt weiter auf Linda zu
setzen. Sie sah zwar umwerfend aus, war aber augenscheinlich gierig und teilte
sich zudem das Intelligenzniveau mit einer Tomatenstaude. Seufzend widmete sich
Marcel wieder seinem Frühstücksei, als ihn Sirenen aus seinen Gedanken rissen.
Für jeden Fotoreporter, auch einen Anfänger wie ihn, waren die schrillen
Fanfaren von Polizei, Feuerwehr und Notärzten Musik in den Ohren. Allerdings
würde sich Lindas Wut, wenn er jetzt ging, nicht so schnell legen, im
Gegenteil. Kurz wog er ab, ob er nicht doch bleiben sollte, aber seine neue
Kamera hatte den Kampf schon vorab gewonnen. Hektisch wühlte er in seiner
Tasche nach einem Zwanzig-Euro-Schein. »Ich muss los, entschuldige«, bemerkte er
und küsste Linda, die dasaß, als hätte sie der Blitz getroffen.
    Â»Du spinnst ja. Das kannst du doch nicht machen«, legte sie los,
aber er war schon aufgesprungen und hechtete den Sirenen hinterher. Um Linda
würde er sich später kümmern.
    Während er durch den kalten Regen lief, zählte Marcel acht
Polizeifahrzeuge und dazu mehrere Krankenwagen, die mit hohem Tempo in die
Avenue Friedland einbogen. Da muss etwas Größeres passiert sein, dachte Marcel
und kramte seine Leica M8 aus der Fototasche. Endlich besaß er das richtige
Werkzeug, eine Profi-Kamera, deren digitaler Chip Bilder aufnahm, die auch den
Ansprüchen großer Tageszeitungen genügen würden. Als er die Avenue Friedland
erreicht hatte, keuchte er heftig, und sein Puls raste. Scheiß Zigaretten. Zu
seinem Glück blieben die Streifenwagen etwa hundert Meter von ihm entfernt
stehen und riegelten die gesamte vierspurige Straße ab, was die Pariser Pendler
mit einem gellenden Hupkonzert beantworteten. Marcel verlangsamte seinen
Schritt und hob den Sucher vor sein Auge. Die Leica war nichts für Anfänger, er
musste jedes Bild einzeln scharf stellen. Pah, Autofokus ist doch was für
Touri-Knipser, er hatte es gestern Abend lange geübt. Außerdem war das genau
der Grund, warum Reporter die Leica so schätzten: Angeblich bekam man mit der
Zeit das Gefühl, mitten in seinem Motiv zu stehen. Na ja, was nicht ist, kann
ja noch werden, machte sich Marcel Mut. Ihm war die Bedienung noch nicht in
Fleisch und Blut übergegangen, und so brauchte er einen Augenblick, um sich zu
orientieren: Die Polizeiwagen bildeten eine Barriere direkt vor der Pariser
Filiale der EuroBank, einem großen Geldinstitut
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